Konsultationsverfahren Netzentwicklungsplan 2025 I

 

Netzentwicklungsplan Strom 2025 - erster Entwurf
Die Konsultation läuft bis 13.12.2015

 

Schicken Sie Ihre Einwendungen zum ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom bis 13.Dezember 2015 an:

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Der Text kann gerne für eigene Einwendungen verwendet werden.

Stellungnahme zur Konsultation des ersten Entwurfs des Netzentwicklungsplans Strom 2025

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit nehme ich zum 1.Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2025 Stellung.

Der Netzentwicklungsplan Strom 2025 stellt sich durch Missachtung vielfach geforderter Veränderungen in der Systematik und der Transparenz in die Tradition vorangegangener Netzentwicklungspläne und ist in dieser Konsequenz für eine seriöse Abschätzung des notwendigen Netzausbaus anscheinend weiterhin nicht geeignet.

Der dargestellte Netzausbaubedarf ist wegen folgender Kritikpunkte in seinem Umfang weiterhin nicht nachvollziehbar.

 

Intransparenz

Die Netzbetreiber werden seit Jahren im Rahmen der Konsultationen aufgefordert, ihre Lastflussmodelle und Eingangsparameter der Bundesnetzagentur und der Öffentlichkeit zur Validierung zur Verfügung zu stellen. Die Netzentwicklungspläne sind seit ihrer Einführung für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar und für Institutionen nicht validierbar. Dieses Manko wird durch den ersten Entwurf des NEPs Strom 2025 weiterhin nicht ausgeräumt.

Insbesondere im Hinblick auf die ermittelten Einsparpotentiale beim Netzzubau durch die Entflechtung der Netzknotenpunkte Grafenrheinfeld und Isar (Szenarien B GG und B GI) stellt sich die Frage, wieviel mehr Einsparpotential durch die Netzbetreiber noch nicht erkannt wurde. Es muss im Interesse der Netzbetreiber sein, sich ihre Berechnungen von einer dritten, unabhängigen Stelle bestätigen zu lassen. Andernfalls ist es nicht vermeidbar, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck der gewollten Überbewertung des erforderlichen Netzausbaus durch die Netzbetreiber entsteht. Ebenso sollte durch eine dritte, unabhängige Stelle im Rahmen eines Gutachtens die europäische Marktentwicklung verifiziert und bewertet werden, die durch die ÜNB und die ENTSO-E prognostiziert wird. Dazu ist die Freigabe der Lastflussmodelle und ihrer Eingangsparameter erforderlich.

 

Methodische Mängel offensichtlich

Die Berechnungen der neuen Szenarien B1GG und B1GI führten zu einem Einsparpotential von 200km Leitungsneubau bei gleichbleibenden Kosten gegenüber dem Szenario B1. Erst die gezielte Verlegung von Trassenanknüpfungspunkten auf politischen Wunsch hin hat dieses Einsparpotential offeriert. Beim Vergleich der Szenarien B1 2025 mit B1GG 2025 und B1GI 2025 zeigt sich, dass die Ergebnisse der Modellierung des Basisszenarios B1 2025 durch die Netzbetreiber nicht entsprechend des NOVA-Prinzips und der Minimierungspflicht ermittelt worden sein können, da sie zumindest ökologisch nicht optimal sind, denn immerhin liegen mit den Ergebnissen aus B1GG und B1GI ökologisch günstigere Ergebnisse vor - bei gleichbleibenden Kosten.

Wenn es möglich ist, durch die Verlegung von Trassenanknüpfungspunkten allein in Bayern derartige Einsparung zu erreichen, liegt die Frage auf der Hand, welches Einsparpotential in anderen Regionen noch besteht. Leider ist es durch die Nichtnachvollziehbarkeit der Modellierungen nicht möglich, den nun naheliegenden Verdacht auszuräumen, dass die Netzbetreiber das Minimierungsgebot bei der Berechnung des Basisszenarios B1 nicht eingehalten haben.

In der Begründung der Möglichkeit dieser Einsparpotentiale drängt sich eine weitere Frage auf, nämlich die der Notwendigkeit der Vermeidung von Engpässen.

 

Engpassfreiheit

Ein engpassfreies Netz ist weder notwendig noch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Engpassmanagement ist Teil eines normalen Netzbetriebs (natürlich nur solange die Systemintegrität gewahrt bleibt), wenn man davon ausgeht, dass Redispatchkosten volkswirtschaftlich mit Verluststromkosten, Kosten für Kraftwerksstillstandzeiten und vor allem Investitions- und Entschädigungskosten durch Leitungsneubau gegengerechnet werden können. Die Netzbetreiber räumen im NEP 2025, wie in allen vorangegangenen NEPs dementsprechend ein, dass die ermittelten Zielnetze auch nicht engpassfrei sind. Durch die Szenarien B1GG und B1GI offeriert sich ein Potential zur Einsparung von Netzausbau gegenüber dem Szenario B1, das in einer weitmaschigeren Anbindung der östlichen Bundesländer mündet. In diesem Zusammenhang ist eine Einschätzung notwendig, wie frei von Engpässen das Zielnetz sein muss, bzw. wieviel Redispatchkosten bei Verzicht auf weitere Leitungen zu prognostizieren sind.

Die Neuberechnungen der Entflechtung der Netzknoten Isar und Grafenrheinfeld drängen diese Debatte auf, da nun die Frage im Raume steht, wieviel Einsparpotential noch in den Netzentwicklungsplänen steckt, wenn man ein höheres Maß an Engpassmanagement als Element eines normalen Netzbetriebs voraussetzt. Die Kosten für dieses zu erwartende Engpassmanagement wären mit den Kosten von Netzaus- oder Netzzubau ins Verhältnis zu setzen.

 

Außenhandel und freier Strommarkt

Beim Vergleich des Basisszenarios B1 und dem Emissionsreduktionsszenario B2 wird offensichtlich, dass auch eine signifikant abnehmende Stromerzeugung durch fossile Kraftwerke keinen Unterschied in der Notwendigkeit des HGÜ-Overlaynetzes in Nord-Süd-Richtung suggeriert. Vielmehr wird deutlich, dass trotz eines marktgetriebenen starken Einbruchs des Stromexports, entscheidende Erweiterungen der Interkonnektorenkapazitäten vorausgesetzt werden. Die Summe der unterstellten Stromtransite nehmen mit angenommenen 43,0 Terawattstunden (TWh) (B1 2025) bzw. 33,7 TWh (B2 2025) erhebliche Ausmaße an. Die Transitlast wird mit Maximalwerten in einer Stunde im Jahr von 14,3 Gigawatt (GW) (B1 2025) bzw. 13,4 GW (B2 2025) prognostiziert. Dieser Leistungsfluss allein übersteigt die heute insgesamt zur Verfügung stehenden Grenzkuppelkapazitäten entscheidend. Da diese Leistungsflüsse von Nord/Ost in Richtung Süd/West prognostiziert werden und trotz unterstellter rapider Abnahme der fossilen Erzeugung im Szenario B2 2025 ein Großteil der Interkonnektorkapazitäten in diese Richtung mit starker Zunahme des Imports im Norden und starker Zunahme des Exports im Süden weiter unterstellt werden, jedoch bei gleichzeitiger Erhaltung des kompletten HGÜ-Overlays, liegt der Verdacht nahe, dass die HGÜ-Trassenführungen durch Deutschland zu einem erheblichen Teil nicht der Integration Erneuerbarer Energien dienen sollen, sondern Durchleitungskapazitäten zur weiteren Liberalisierung des europäischen Strommarktes mit Deutschland als Stromtransitland schaffen sollen.

Die Netzbetreiber sollten in der Begründung für die geplanten Gleichstromtrassen diesem Aspekt mehr Ausdruck verleihen und gleichzeitig  diskutieren, inwieweit die weitere Liberalisierung des europäischen Strommarktes für die Integration Erneuerbarer Energien in Deutschland förderlich sein soll, insbesondere im Hinblick auf die im NEP 2025 angegebenen Transitvolumina und deren Flussrichtung.

Da die Randbedingungen und Modellierungen des europäischen Strommarktes weder in diesem NEP Strom 2025 noch im TYNDP 2014 bzw. TYNDP 2016 der europäischen Vereinigung der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E nachvollziehbar sind, drängt sich der Verdacht auf, dass die bislang durch die deutschen Netzbetreiber erbrachten Begründungen für die Notwendigkeit der HGÜ-Trassen in diesem Ausmaß in einer innerdeutschen Betrachtung nicht sachgerecht waren und sind. Es muss im Interesse der deutschen Übertragungsnetzbetreiber sein, diesen Verdacht auszuräumen. Es wird durch die bislang erbrachten Begründungen auch nicht vermittelt, weshalb es vorteilhaft sein soll, bei der bestehenden und prognostizierten weiteren Zunahme der Stromerzeugungsüberschüsse in Norddeutschland noch zusätzliche Interkonnektorenkapazitäten aus Norden in das deutsche Netzgebiet zu schaffen, die zur deutlichen Erhöhung dieses Stromüberschusses noch beitragen können. Sollten diese Kapazitäten notwendig sein, um das südeuropäische Marktgebiet mit dem skandinavischen zu verbinden, und sollten die Gleichstromtrassen zumindest anteilig dieselbe Aufgabe haben, dann wäre das auch so klar im Interesse der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsträger zu formulieren.

 

Vorgaben aus europäischem Netzentwicklungsplan TYNDP (Ten Years Network Development Plan) des Verbundes der Europäischen Netzbetreiber ENTSO-E und die Rolle der dort implementierten Marktmodelle sowie Rolle der „Projekte gemeinsamen Interesses“ PCI (Projects of Common Interests)

Ein großer Teil des im NEP Strom 2025 ermittelten Netzausbaubedarfs ist Bestandteil des europäischen Netzentwicklungsplans TYNDP. Dabei ist den regionalen Investmentplänen der einzelnen europäischen Netzgebiets-Gruppen des TYNDP2016 durchweg eine deutliche Erhöhung der angestrebten Interkonnektorenkapazitäten im Gegensatz zum TYNDP 2014 zu entnehmen. Der europäische Netzentwicklungsplan hat damit entscheidenden Einfluss auf den deutschen NEP.

In der Begründung für einzelne Projekte sollte daher explizit aufgeführt werden, in welchem Zusammenhang sie jeweils zum aktuellen TYNDP stehen. Das wurde zwar für die neu im NEP aufgetauchte „Hansa Power Bridge“ (P221) gemacht, für viele Trassen fehlt diese Darstellung mit der jeweiligen Begründung jedoch, insbesondere für alle geplanten HGÜ-Trassen, die in ähnlicher Form sogar entsprechend europäischer Verordnung zu Leitlinien für die europäische Energieinfrastruktur (TEN-E) als Projekte gemeinsamen Interesses (PCI) deklariert wurden. Der Zusammenhang zur europäischen Stromnetzplanung geht aus den Projektsteckbriefen jeweils jedoch nicht hervor. Konkret stellt sich die Frage, wie Projekte, wie beispielsweise der HGÜ-Korridor „SUEDLINK“, aus einer regionalen Netzentwicklungsplanung heraus in die europäische Netzentwicklungsplanung eingehen kann, so dass er bei der Europäischen Kommission sogar als PCI nach TEN-E geführt wird - dementsprechend heute in jedem NEP der PCI-Status als Begründung für das Vorhaben herangezogen werden kann - ohne, dass der europäische Kontext ausführlich diskutiert wird. Die Begründung der HGÜ-Verbindung bezieht sich im Wesentlichen auf innerstaatlichen Stromtransfer. Im Interesse der Öffentlichkeit wäre es angebracht, Projekte solchen Status und Größenordnung bei allen bislang aufgetretenen und zukünftig auftretenden Bürgerprotesten, intensiver auf ihre Funktion hin zu beleuchten - nämlich wieviel Strom wann und in welcher Situation jeweils aus welcher Erzeugungsart wie viele Stunden im Jahr transportiert werden soll und welche Bedeutung sie dabei preisgetrieben für den europäischen Strommarkt einnehmen.

Da die europäische Netzentwicklungsplanung der ENTSO-E sich mit einer eigenen Marktmodellierung im europäischen Kontext erheblich auf den deutschen NEP auswirkt, sollte der NEP auch generell viel ausführlicher die Schnittmengen der europäischen und der deutschen Stromnetzplanung diskutieren und aufzeigen. Eine bloße Erwähnung europäischer Vorgaben ist hier nicht ausreichend. Vielmehr muss klar werden, welche Marktparameter wie aus der europäischen Netzentwicklungsplanung einfließen, welche Trassen des nationalen NEPs auf Grundlage des europäischen TYNDPs nach Bestätigung durch den Verbund der europäischen Regulierungsbehörden ACER als „unumstößlich“ zu betrachten sind, und welcher Spielraum überhaupt noch für eine deutsche Netzentwicklungsplanung durch die Vorgaben des TYNDP und den erfolgten Bestätigungen der europäischen Genehmigungsbehörden ACER besteht.

 

Sensitivitäten

Von Vorgaben des europäischen TYNDP  ausgehend wäre im Rahmen der Sensitivitätenbetrachtung abzuwägen, inwieweit sich reglementierende Eingriffe in den Strommarkt durch den Gesetzgeber (beispielsweise durch Zuschreibung der Verlustkosten auf die jeweilige Erzeuger- und Verbraucherseite) auf die Ergebnisse der jeweiligen Marktsimulationen auswirken würden. Hier wäre konkret die Frage zu klären, inwieweit sich das HGÜ-Overlay-Netz bei erheblich geringeren Stromtransiten immer noch als „robust“ darstellen würde. Ein konkreter Ansatz wäre hier, die Kosten für den stromhandelsseitig erforderlichen Netzausbau bzw. die für die Spitzenlast der Stromtransite in einer Stunde erforderlichen Netzausbau sowie den zukünftigen Netzbetrieb und Verluststrommengen auf die Verursacher der Lastflüsse anstatt die Verbraucher umzulegen und zu ermitteln, wie sich derartige Preissignale auf den Marktwert bestimmter Stromerzeugungen auswirkt. Da sich der Handel mit Strom bei derartigen Eingriffen in den Markt aus Kostengründen mehr regionalisieren würde, müsste somit auch der Transportbedarf erheblich sinken.

Trotz vielfacher Aufforderung bei den Konsultation vorangegangener Netzentwicklungspläne hat es die Bundesnetzagentur versäumt, die Netzbetreiber zu weiteren Sensitivitätenbetrachtungen anzuhalten. Die Netzbetreiber ihrerseits sind auf diesen durch viele Konsultationsteilnehmer geäußerten Wunsch ebenfalls nicht eingegangen. So bleiben weiterhin Fragen offen, inwieweit politische Maßnahmen zur Netzvermeidung beitragen können. Hierbei hätte konkret untersucht werden können,

  • wie sich der Ausbau dezentraler Speichertechnologien auf unteren Netzebenen auf den Übertragungsbedarf des Höchstspannungsnetzes auswirkt,
  • inwieweit Systemstabilität auch durch gezieltes Verbrauchsmanagement bei Großverbrauchern zu erreichen wäre,
  • inwiefern lastorientierte Stromtarife zur Netzentlastung beitragen,
  • welche Potentiale die Kopplung des Strom- und Wärmemarkts zur Netzentlastung liefert,
  • welche Netzminderungspotentiale durch gezielte Eingriffe in den Strommarkt entstehen können.

Letzteres ist im Hinblick auf das prognostizierte Außenhandels- und Stromtransitvolumen im europäischen Kontext von besonderem Interesse, da der massive Ausbau der Interkonnektoren- und Durchleitungskapazitäten in einem volkswirtschaftlichen Missverhältnis durch entstehende Verluststrommengen, Refinanzierungs- und Betriebskosten, die einseitig auf die Verbraucher umgelegt werden, und ökologische Folgekosten stehen könnten. Durch die unvollständige, bzw. fehlende Berücksichtigung von Vorschlägen im Rahmen vergangener Konsultationen entsteht der Verdacht, dass die Netzbetreiber aus Renditegründen einen maximal, möglichen Netzausbau durchsetzen wollen. Dieser Verdacht sollte im Rahmen der diesjährigen Konsultationen unbedingt ausgeräumt werden.

 

Ich fordere die Übertragungsnetzbetreiber auf,

  • eine Stellungnahme zu ermittelten Einsparpotentialen in den Szenarien B1GG 2025 und B1GI 2025 im Vergleich mit dem Basisszenario B1 2025 abzugeben, und wie sich diese Differenzen in den Kontext von Minimierungsgebot und NOVA-Prinzip zum bislang verwendeten Basisszenario B1 einordnen lassen;
  • die Methodik und Modellierung zur Erstellung der Netzentwicklungspläne durch eine dritte, unabhängige Stelle validieren zu lassen;
  • die Ergebnisse und Begründungen des Netzentwicklungsplans Strom ausführlich in ihren jeweiligen europäischen Kontext zu stellen
  • weitere Sensitivitäten zu identifizieren und für Referenzszenarien heranzuziehen;
  • ein Szenario so auszulegen, dass dargestellt wird, unter welchen Marktbedingungen unter Einhaltung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung gar kein bzw. der geringste nötige Netzneubau möglich wäre
  • Die Entwicklung der Netzentgelte der Übertragungsnetze nach gegenwärtiger Kostenwälzung sowohl für Privat- als auch für Industriekunden für jedes Szenario und jede Regelzone gesondert zu prognostizieren
  • Transparenz bezüglich der bestehenden Netzinfrastruktur herzustellen und die Bundesregierung über den Zustand der Übertragungsnetze zu informieren
  • Die Modellierungsgrundlagen und –spezifika inklusive der kompletten Methodik, eingehender Parameter und Lastflussdaten der Bundesnetzagentur zur Verfügung zu stellen oder anderweitig so zu veröffentlichen, damit diese durch Dritte verifiziert werden können.


Mit der Veröffentlichung dieser Stellungnahme bin ich einverstanden.

Mit freundlichen Grüßen
Ralph Lenkert, MdB