Konsultationsverfahren Netzentwicklungsplan 2024 II

 

Netzentwicklungsplan Strom 2024 - zweiter Entwurf
Die Konsultation läuft bis 15.05.2015

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  • Bundesnetzagentur
    Stichwort: Netzentwicklungsplan/Umweltbericht
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Der Text kann gerne für eigene Einwendungen verwendet werden.

Stellungnahme zur Konsultation des zweiten Entwurfs des Netzentwicklungsplans Strom 2024

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit nehme ich zum zweiten Entwurf des Netzentwicklungsplans Strom 2014 Stellung.

Der Netzausbau ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende in Deutschland. Die Richtigkeit dieser Aussage ist weder bewiesen, noch ist hinreichend differenziert worden, welcher Art Netzausbau für welche Art Energiewende notwendig ist. Durch eine gezielte Steuerung des Erneuerbaren Energiemarktes und durch Eingriffe im Strommarkt ist eine weitgehend dezentrale, räumlich ausgewogene und kleinteilige Kraftwerksstruktur in öffentlicher Hand ebenso vorstellbar, wie durch Beibehaltung der gesetzlichen Rahmen eine noch über Jahrzehnte auf fossile zentrale Kraftwerksstrukturen angewiesene. Inwiefern die öffentliche Hand in die Energiemärkte eingreifen will, um die Energiewende gezielt zu  Sie zeigt aber auf, dass sich hier zwei Szenarien gegenüberstehen, die zwar beide im Interesse der Energiewende sein mögen, aber ganz offensichtlich eklatant unterschiedliche Stromnetzsysteme erfordern.

Trotz der Betrachtung der Sensitivitäten „Deckelung Offshore“ und „Einspeisemanagement“ wurde der Netzentwicklungsplan nur unzureichend qualifiziert. Ich begrüße es, dass im Zuge der Sensitivitätenbetrachtung jetzt erstmals diese konkreten Möglichkeiten der Netzvermeidung in Betracht gezogen worden sind, erachte diese aber bei weitem nicht als hinreichend. Der Netzentwicklungsplan geht des Weiteren nämlich immer noch von Szenarien aus, die den Emissionsminderungszielen der Bundesregierung nicht gerecht werden und auch deshalb, aber insbesondere generell von einer statischen energiewirtschaftlichen Rahmenpolitik ausgeht, die als höchst unwahrscheinlich anzunehmen ist.

Die Bundesnetzagentur muss in diesem Zuge ihrer Aufgabe nach Energiewirtschaftsgesetz nachkommen und den Übertragungsnetzbetreibern ein weitreichendes Portfolio von möglichen, zukünftig absehbaren, aber auch bislang nur andiskutierten Möglichkeiten politischer und wirtschaftlicher Impulse zur Szenarienbetrachtung an die Hand geben. Aus diesen muss ein Szenario geschaffen werden, dass den europäischen und insbesondere den nationalen Emissions- und KWK-Zielen entspricht. Darüber hinaus sind die Übertragungsnetzbetreiber als Monopol der Kenntnisse über den Zustand der Übertragungsnetze und die Bundesnetzagentur als Behörde aufgefordert, Netzminimierungsbedarf festzustellen und zur Verifizierung der dargestellten Leitszenarien ein Szenario zu entwickeln, dass den Netzausbaubedarf auf ein Minimum beschränkt und die dafür erforderlichen politischen Weichenstellungen identifiziert.
Nur so ist es dem Gesetzgeber möglich, im Interesse der Volkswirtschaftlichkeit und des Klimaschutzes zwischen Netzausbau oder etwaigen Alternativoptionen zu wählen.

 

1. Einseitige Marktsimulation

Die im Netzentwicklungsplan beschriebene Simulation des Strommarktes in allen Szenarien geht grundsätzlich davon aus, dass ein unbeschränkter Handel im europäischen Stromverbundnetz gewährleistet ist und die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der heutigen Form fortbestehen. Obwohl im NEP auf die Grenzen der Marktsimulation eingegangen wird, verbergen sich hier jedoch weiterhin Unwägbarkeiten größeren Ausmaßes, die durch Änderung des energiepolitischen Rahmens entscheidend auf die Ergebnisse der Szenarien Einfluss nehmen können.

  • Unbeschränkter Handel:

Der Handel mit Strom im europäischen Verbundnetz ist in einem erheblichen Maße ausschlaggebend für den Stromtransportbedarf. Die Marktsimulation des Netzentwicklungsplans geht davon aus, dass dieser Handel durch Netzausbau verbessert werden soll und begründet dies mit Vorteilen des internationalen Wettbewerbs. Dabei greift er die mit unbeschränktem Stromhandel möglicherweise verbundenen sozialen Probleme nicht auf.

  • Energiepolitische Zielwerte:

Obwohl der Betrachtung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung und der Neubetrachtung der Ausbaupfade der Erneuerbaren Energien nachgegangen wird, spiegeln die im Rahmen des Vergleichs mit den energiepolitischen Zielwerten prognostizierten Emissions-, Ausbau- und Verbrauchswerte nach wie vor nicht in allen Szenarien den politischen Willen und die ökologische Notwendigkeit wider. Das deutet darauf hin, dass die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die mit dem Szenarienrahmen genehmigt wurden, energie- und klimapolitisch nicht hinreichend und zielführend sind und durch den Gesetzgeber demnächst angepasst werden müssen.

  • Nichtbeachtung der Kosten zunehmender Transportverluste bei unbeschränktem Handel:

Durch die gegenwärtige Kostenwälzung im Übertragungsnetz werden Transportverluste in der jeweiligen Regelzone, in der sie entstehen, auch auf  unbeteiligte Verbraucher umgelegt. Stromhändler, Stromeinspeiser und Großabnehmer werden derzeit nicht, bzw. nur teilweise an den Kosten der Transportverluste beteiligt. Diese Kosten betrugen € 333 Mio. im Jahr 2013 (BNetzA). Diese Kosten werden durch vermehrten Stromtransport weiter steigen. Diese Entwicklung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher inakzeptabel. Diese Praxis führt außerdem zu volkswirtschaftlich schädlichem Investitionsverhalten bei der Planung und Betreibung von Stromerzeugungsanlagen und damit zu zusätzlichem Netzausbaubedarf. Obwohl hier der Gesetzgeber gefragt ist, die Regelungen der Netzentgeltzahlungen so anzupassen, dass diejenigen, die die Kosten des unbegrenzten Handels mit Strom verursachen, diese auch tragen und darüber hinaus Netzentgelte bundesweit einheitlich  gewälzt werden, sollten diese Mehrkosten im Netzentwicklungsplan prognostiziert werden. Außerdem sollte der Anteil des Stromhandels am Netzausbaubedarf dokumentiert werden. Verluststrombetrachtungen durch die Wandlungen AC-DC und deren Kosten sollten ebenfalls Berücksichtigung in der volkswirtschaftlichen Betrachtung finden.

  • Nichtbeachtung naheliegender politischer Reglementierungen in der Marktsimulation

Davon ausgehend wäre abzuwägen, inwieweit sich reglementierende Eingriffe in den Strommarkt durch den Gesetzgeber (beispielsweise durch Zuschreibung der Verlustkosten auf die jeweilige Erzeuger- und Verbraucherseite) auf die Ergebnisse der Marktsimulation auswirken würden. Da sich der Handel mit Strom bei einem derartigen Eingriff in den Markt aus Kostengründen regionalisieren müsste, würde somit vermutlich auch der Transportbedarf erheblich sinken. Derartige Betrachtungen fehlen im NEP nach wie vor. Dies wäre als weitere Sensitivität im Rahmen von Netzminderungspotentialen zu untersuchen.

  • Fehlende Empfehlungen

Im NEP wird zwar ausdrücklich darauf hingewiesen, dass keine Empfehlungen oder Optimierungsvorschläge für ein künftiges Marktdesign geliefert werden. Die zukünftige Sicherstellung der Netzstabilität scheint unter den gegebenen Szenarienrahmen im NEP anscheinend zwangsläufig Netzausbau in größerem Ausmaß zu erfordern. Dass die Übertragungsnetze für Strom aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen nur im geringst notwendigen Rahmen ausgebaut werden sollten, ist unstrittig und wird im NEP auch formuliert. Es liegt aber  aufgrund der Gesetzesformulierung des Energiewirtschaftsgesetzes letztendlich nicht in der Zuständigkeit der Übertragungsnetzbetreiber, Vorschläge für politische Eingriffe zu unterbreiten, mit denen sich Netzausbau vermeiden ließe, vor allem, da dies den betriebswirtschaftlichen Interessen der Netzbetreiber widerspricht. Wohl aber müsste die Bundesnetzagentur  im Interesse einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung auch Möglichkeiten der Vermeidung des Netzausbaues kalkulieren und prüfen, da die BNetzA  letztendlich den Netzentwicklungsplan genehmigt. Sie muss im Interesse der Verbraucher und der Anwohner an geplanten Hochspannungstrassen mit dem vorhandenen Modellierungswerkzeug, dass den Szenarien des NEP zugrunde liegt, derartige politische Möglichkeiten ausloten und sie alternativ in den NEP aufnehmen lassen.


 

2. Fehlende Betrachtung sozialer und ökologischer und ökonomischer Auswirkungen der geplanten Trassenneubauten, insbesondere der DC-Korridore

Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des als Bedarf ermittelten Netzausbaus beschränkt sich auf technologischen Erfordernisse und den Investitionsbedarf ohne Berücksichtigung der Kostenwälzung, bzw. Nichtbeteiligung ganzer Gruppen von Marktteilnehmern an den Refinanzierungen der Investitionen . Soziale und ökologische Folgekosten werden zusätzlich lediglich im begleitenden Umweltbericht der BNetzA angesprochen, aber nicht konkretisiert. Insbesondere im Zusammenhang mit den vier HGÜ-Projekten A bis D, die auch nach der Inbetriebnahme der Leitungen anfallen werden bleiben hier Fragen offen, die in eine umfängliche volkswirtschaftliche Kostenbetrachtung des NEP einfließen müssen. Das betrifft insbesondere:

  • Einbußen im Tourismus in den von den Trassen betroffenen Regionen und damit der regionalen Wertschöpfung durch Fremdenverkehr und Gastronomie
  • Einbußen durch Beschädigung von Naherholungsgebieten und Landschaftsräumen
  • Verluste an Land- und Forstwirtschaftlichen Flächen für den Trassenbau und wegen notwendiger Ausgleichsmaßnahmen
  • Zusatzkosten für private Stromverbraucher durch zusätzliche Leitungsverluste bei höherem Stromtransportvolumen nach gegenwärtiger Kostenwälzung

 

3. Fehlende Einschätzung zum Speicherausbau und Flexibilisierungsmaßnahmen

Obwohl der Szenarienrahmen für den vorliegenden Netzentwicklungsplan seit langem von der BNetzA bestätigt wurde, können im Rahmen der Sensitivitätenbetrachtung Annahmen über die Notwendigkeit und Verfügbarkeit von zusätzlicher Speichertechnologie im größeren Maßstab bei den prognostizierten Ausbauwerten der Erneuerbaren Energien von fast 70 Prozent gemacht werden. Lediglich mit den bereits in Planung oder Bau befindlichen rund 4,3 GW zusätzlicher Pumpspeicherkapazität zu rechnen, reicht nicht an die nach Expertenkreisen notwendigen Bemühungen zum Speicherausbau heran und ist deshalb als so eintretender Modellierungsparameter als höchst unwahrscheinlich einzustufen. Im Rahmen der (bislang nicht gesetzlich geforderten) Sensitivitätenbetrachtungen müssen zu Validierung der Ergebnisse des NEP auch Fragen geklärt werden

  • Wie sich der Ausbau dezentraler Speichertechnologien auf unteren Netzebenen auf den Übertragungsbedarf des Höchstspannungsnetzes auswirkt,
  • inwieweit Systemstabilität auch durch gezieltes Verbrauchsmanagement bei Großverbrauchern zu erreichen wäre,
  • inwiefern lastorientierte Stromtarife zur Netzentlastung beitragen,
  • welche Potentiale die Kopplung des Strom- und Wärmemarkts zur Netzentlastung liefert,
  • wie das Abschneiden von Lastspitzen bei Erzeugern und Verbrauchern sich netzentlastend auswirken.

 

4. Intransparenz bei der Datenerhebung, der Festlegung der Eingangsbedingungen und der Modellierung der einzelnen Maßnahmen

Trotz der Bemühungen zur Herstellung der Öffentlichkeit bei der Netzplanung durch den NEP bleiben wesentliche Grundlagen der Netzplanung im Dunkeln. Die Methodik, nach der in der Szenarienberechnung vorgegangen wird inklusive sämtlicher Eingangsdaten sind konkret nicht nachvollziehbar.
Die Datengrundlage, nach der das bestehende Übertragungsnetz beurteilt werden kann, ist nur den Netzbetreibern selbst bekannt. Die Bundesregierung selbst hat nach eigener Aussage keine Informationen über die Transportkapazitäten des bestehenden Übertragungsnetzes zwischen einzelnen Regionen des Landes und auch nicht über deren Zustand und Alter. Die Datengrundlage, mit der die Szenarien gespeist werden, bleibt im Detail Geschäftsgeheimnis der Übertragungsnetzbetreiber.

In Erwägung der genannten Mängel an dem angelegten Szenarienrahmen und auch am konkreten Entwurf des NEP 2014/2, kann ich die Notwendigkeit der als Bedarf ermittelten geplanten vier HGÜ-Projekte nicht nachvollziehen. Im Hinblick auf eine ökologische und soziale Energiewende halte ich diese Projekte für überflüssig und bei etwaiger Realisierung sogar für schädigend gegenüber des ländlichen Raumes, des Landschaftsschutzes, der Trassenanwohner, der Stromverbraucher und der Dezentralisierung des Kraftwerksparks.

 

Ich fordere die Übertragungsnetzbetreiber daher auf,

  • Trotz Fehlen eines gesetzlichen Auftrages durch die Bundesnetzagentur im Interesse der Validierung und Verifikation der Netzentwicklungspläne die Sensitivitätenbetrachtung stark auszuweiten und weitere Szenarien zu entwickeln, die anhand möglicher politischer Entscheidungen und Änderungen der Marktbedingungen den Netzbedarf prognostizieren, insbesondere unter dem Aspekt der Beteiligung von Stromhändlern und Stromproduzenten an den von ihnen verursachten Netzkosten (Netzverluste) in Abhängigkeit von physikalischen Strommengenflüssen
  • Davon ein Szenario als Referenz so auszulegen, dass dargestellt wird, unter welchen Marktbedingungen und Rahmenbedingungen, unter Einhaltung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung gar kein bzw. der geringst, nötige Netzneubau möglich wäre
  • In die Szenarienberechnungen Entwicklungspfade verschiedener Flexibilitätsoptionen einzubinden (Entwicklung von Speichertechnologien, Kopplung des Strom- und Wärmemarktes, Verbrauchsmanagement, lastorientierte Stromtarife, „Abschneiden“ von Lastspitzen bei Verbrauchern und Einspeisespitzen bei Erzeugern, usw.)
  • Daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten
  • Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen die Kosten zukünftiger Verlustenergiefür jedes Szenario zu prognostizieren
  • Die Entwicklung der Netzentgelte der Übertragungsnetze nach gegenwärtiger Kostenwälzung sowohl für Privat- als auch für Industriekunden für jedes Szenario und jede Regelzone gesondert zu prognostizieren
  • Für als Bedarf ermittelte Netzausbauprojekte jeweils eine erste grobe Abschätzung durchzuführen, die auf Grundlage der Erfahrung mit bereits projektierten Trassen/Konvertern/etc. einen Rahmen der zu erwartenden Folgekosten des Projekts für Ausgleichsmaßnahmen, Flächenverbrauch, Beeinträchtigungen ökologischer Systeme, Tourismus, u.ä. aufzeigt und diese im NEP zu etablieren oder der Bundesnetzagentur für deren Umweltbericht zur Verfügung zu stellen
  • Transparenz bezüglich der bestehenden Netzinfrastruktur herzustellen und die Bundesregierung über den Zustand der Übertragungsnetze zu informieren
  • Die Modellierungsgrundlagen und –spezifika inklusive der kompletten Methodik, eingehender Parameter und Lastflussdaten der Bundesnetzagentur zur Verfügung zu stellen oder anderweitig so zu veröffentlichen, dass sie durch Dritte verifiziert werden können.

 

Ich bitte Sie, meine Einwände und Anregungen in den NEP 2014 einfließen zu lassen.
Mit der Veröffentlichung dieser Stellungnahme bin ich einverstanden.

Mit freundlichen Grüßen
Ralph Lenkert, MdB