"Die Netzentwicklungspläne unterscheiden sich in ihrer Qualität letztendlich seit Jahren kaum, die Ergebnisse sind bis auf Details kaum unterschiedlich. Im Gegensatz zur Auffassung der Übertragungsnetzbetreiber zeugt dies aber nicht von „Robustheit“ der Ergebnisse, sondern vom Beharren auf einer fehlerhaften unflexiblen Systematik, bei der man davon ausgehen kann, dass sie immer wieder dieselben oder zumindest ähnliche Ergebnisse hervorbringen wird."

 

Am 28.Februar 2017 endet die Konsultationsphase des 1. Entwurfs des NEP 2030. Der 2. Entwurf wird im Sommer erwartet. Es wird Zeit, deutliche Worte gegen dieses Profit-Planspiel der Energiewirtschaft zu finden!

 


Stellungnahme zur Konsultation NEP Strom 2030
– erster Entwurf

Der NEP 2030 nimmt erstmals Aspekte der Sektorenkopplung Wärme-Strom-Verkehr mit konkreten Zahlen in den Fokus und qualifiziert sich dabei im Bereich der Sensitivitäten weiter. Nichtsdestotrotz stellt er sich auch weiterhin durch Missachtung vielfach geforderter Veränderungen in der Systematik und der Transparenz in die Tradition aller vorangegangenen Netzentwicklungspläne. Es ist mittlerweile nicht mehr nachvollziehbar, weshalb Übertragungsnetzbetreiber und die Bundesnetzagentur durch das Drehen an kleinen Schräubchen der Sensitivitäten-Parameter einen qualitativen Gewinn bei der Einschätzung des notwendigen Netzausbaus suggerieren, solange grundlegenden Hinweisen auf Schwächen in der Systematik der Netzentwicklungspläne nicht nachgegangen wird. Die Netzentwicklungspläne unterscheiden sich in ihrer Qualität letztendlich seit Jahren kaum, die Ergebnisse sind bis auf Details und politisch motivierte Verlegungen von Netzverknüpfungspunkten kaum unterschiedlich. Im Gegensatz zur Auffassung der Übertragungsnetzbetreiber zeugt dies aber nicht von „Robustheit“ der Ergebnisse, sondern vom Beharren auf einer fehlerhaften unflexiblen Systematik, bei der man davon ausgehen kann, dass sie immer wieder dieselben oder zumindest ähnliche Ergebnisse hervorbringen wird.

Das ist weder innovativ, noch ist durch dieses Vorgehen eine vernünftige, unabhängige Einschätzung des Netzausbaubedarfs, der sich hier als selbsterfüllende Prophezeiung darstellt, möglich. In diesem Kontext ist der Netzentwicklungsplan 2030 weiterhin nicht geeignet, den notwendigen Netzausbaubedarf zu ermitteln. Er spiegelt nur wider, welcher Netzausbau notwendig ist, um die Prognosen der Modellierungsmethoden und der Markteingangsparameter der Übertragungsnetzbetreiber in Zukunft zu realisieren.

Im Einzelnen nenne ich folgende Kritikpunkte:

Problem 1:
Intransparenz

Die Netzbetreiber werden seit Jahren im Rahmen der Konsultationen aufgefordert, ihre Lastflussmodelle und Eingangsparameter der Bundesnetzagentur und der Öffentlichkeit zur Validierung zur Verfügung zu stellen. Die Netzentwicklungspläne sind seit ihrer Einführung für die Öffentlichkeit nicht nachvollziehbar und für Institutionen nicht validierbar.

Es muss im Interesse der Netzbetreiber sein, sich ihre Berechnungen von einer dritten, unabhängigen Stelle bestätigen zu lassen. Andernfalls ist es nicht vermeidbar, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck der gewollten Überbewertung des erforderlichen Netzausbaus durch die Netzbetreiber entsteht. Ebenso sollte durch eine dritte, unabhängige Stelle im Rahmen eines Gutachtens die europäische Marktentwicklung verifiziert und bewertet werden, die durch die ÜNB und die ENTSO-E prognostiziert wird. Dazu ist die Freigabe der Lastflussmodelle und ihrer Eingangsparameter erforderlich.

Problem 2:
kein Referenzszenario zur Netzvermeidung

Die Netzbetreiber rechnen seit Jahren im Rahmen der Netzentwicklungspläne neben den durch den Szenarienrahmen vorgegebenen mit weiteren Szenarien, in denen auf kurzfristige wesentliche politische Änderungen oder politisch motivierte Wünsche nach Verlegung einzelner Netzanknüpfungspunkte eingegangen wird. Demgegenüber wird aber nicht auf den ebenfalls seit Jahren bestehenden Wunsch eingegangen, ein Referenzszenario im Rahmen einer Studie neben der NEP-Erstellung so auszulegen, dass ein minimaler Netzausbau unterstellt wird. Die Ergebnisse eines solchen Szenarios sollten die Diskrepanz zwischen dem angewandten Marktmodell und dem nachvollziehbaren Wunsch nach Ausbleiben bestimmter 380kV- und HGÜ-Trassen darstellen können. Die Netzbetreiber argumentieren, es sei nicht ihre Aufgabe, mit nicht bestehenden oder in Zukunft unrealistischen Marktrahmenbedingungen im Rahmen der NEP-Erstellung zu hantieren. Gleichwohl sind sich die Netzbetreiber darüber im Klaren, dass sie mit ihrer eigenen Lastflussmodellierung, auf die sich alle weitere in Deutschland stattfindende Netzausbauplanung gründet, über ein planerisches Element verfügen, dass niemandem außer ihnen selbst zur Verfügung steht. Es ist für den Gesetzgeber somit unmöglich, im Interesse der Bevölkerung volkswirtschaftlich möglicherweise günstigere Lösungen politisch zu bewerten und entsprechende politische Stellschrauben zu identifizieren. Vorgeschlagen hierzu wurde, insbesondere bei Informationsveranstaltungen der Bundesnetzagentur, eine gemeinsame Informationsveranstaltung durchzuführen, bei der die Teilnehmenden Vorschläge unterbreiten sollen, auf welche Aspekte des Marktgeschehens in einem solchen Referenzszenario besonders eingegangen werden sollte. Die Netzbetreiber sollten ein solches Szenario als Validierung der Ergebnisse ihrer Lastflussmodellierung verstehen, die Bundesnetzagentur als Behörde sollte dadurch ihrem gesetzlichen Auftrag der volkswirtschaftlichen Optimierung und dem Angebot einer politischen Optionenpalette nachkommen.

Problem 3:
Unterstellte Engpassfreiheit

Anders als die Übertragungsnetzbetreiber es formulieren, ist ein engpassfreies Netz weder notwendig, noch muss es sich dabei um den „volkswirtschaftlich optimalen Einsatz“ handeln. Engpassmanagement ist Teil eines normalen Netzbetriebs (natürlich nur solange die Systemintegrität gewahrt bleibt), wenn man davon ausgeht, dass Redispatchkosten volkswirtschaftlich mit Verluststromkosten, Kosten für Kraftwerksstillstandzeiten und vor allem Investitions- und Entschädigungskosten durch Leitungsneubau gegengerechnet werden können. Das Unterstellen eines engpassfreien Marktgebietes räumt diesem Aspekt von vornherein keine Validierungsmöglichkeiten ein, der aber Bestandteil eines Netzentwicklungsplans sein sollte. Es ist so nicht möglich, nachzuvollziehen, unter welchen Umständen Netzeinsparungen möglich wären und ob auch langfristig die Kosten für ein gezieltes Engpassmanagement unter den Investitionskosten für Netzausbau liegen könnten. In diesem Zusammenhang ist eine Einschätzung notwendig, wie frei von Engpässen das Zielnetz sein muss, bzw. wieviel Redispatchkosten bei Verzicht auf weitere Leitungen zu prognostizieren sind.

Problem 4:
Erweiterung des europäischen Binnenmarktes als Ausgangspunkt der Marktmodellierung

Dank der eingeführten Klarstellungen über die Rolle der einzelnen identifizierten Leitungsbauvorhaben in ihrem Kontext als Bestandteil des europäischen Netzausbauplans (Ten Years Network Development Plan - TYNDP) der europäischen Netzbetreiber (ENTSO-E) und darüber hinaus ihrer Einstufung als Projekt gemeinsamen Interesses (Project of Common Interest – PCI) macht der NEP 2030 mehr noch als alle seine Vorgängerpläne deutlich, dass die Notwendigkeit eines HGÜ-Overlay-Netzes weniger in der Integration Erneuerbarer Energien im Norden des Landes besteht. Vielmehr handelt es sich dabei um ein zukünftiges Element des Europäischen Stromverbundes, das hauptsächlich dem Ausbau des europäischen Binnenmarktes dient und die weitere Liberalisierung des Strommarktes verwirklichen soll. Mit Blick auf das Szenario B 2035 wird eine Entwicklung deutlich, die der HGÜ-Trasse Ost (SuedOstLink) mehr und mehr die Funktion eines Handelskorridors zwischen dem schwedischen und dem südeuropäischen Netzgebiet zukommen lässt. Der TYNDP und die PCI-Projekte bestimmen die deutsche Netzausbauplanung erheblich, wenn nicht sogar hauptsächlich.

Die Netzbetreiber sollten diesem Aspekt noch mehr Rechnung tragen und das Unterkapitel 1.6 dementsprechend ergänzen, sowie im Kapitel 3 der Dimension des Kontexts der Netzplanung im europäischen Binnenmarkt mehr Ausdruck verleihen. Ein einzelner Unteranstrich als vierte Aufzählung mit der kurzen Bemerkung „Wesentliche Treiber für die innerdeutsche Übertragungsaufgabe sind der weitere Ausbau erneuerbarer Energien sowie die starke und zentrale Einbindung Deutschlands in den europäischen Binnenmarkt.“ wird dem Problem hier offensichtlich nicht gerecht. Es muss klargestellt werden, inwieweit bestimmte Maßnahmen (insbesondere die PCI) als unumstößlich im europäischen Kontext anzusehen sind, inwieweit sie Ergebnis oder sogar Eingangsparameter der Lastflussmodellierung sind und es ist eine Gesamtkostenanalyse zu erstellen, die aufzeigt, welche Investitionskosten des deutschen Netzausbaus ursächlich der weiteren Öffnung des europäischen Binnenmarktes dienen.
Da die Interkonnektorenkapazitäten als Bestandteil des TYNDP in den NEP eingehen, wird auch deutlich, dass die prognostizierten Transitflüsse Ergebnis einer europäischen Netzplanung sind, die erhebliche Auswirkungen auf den deutschen Netzausbau haben muss.

Der NEP 2030 prognostiziert ein physikalisches Transitvolumen mit einer Stundenspitzenlast von
NEP 2030    16,9 GW (B 2030)    bzw. 18,1 GW (B 2035)

und setzt damit die Prognose des vorangegangenen

NEP 2025    14,3 GW (B1 2025)    bzw. 15,7 GW (B1 2035)

fort, bzw. überbietet diese sogar.

Im Gegensatz dazu betrug die Spitzenlast der Stromtransite im Jahr 2015 7,33 GW (BNetzA). Um den prognostizierten Anstieg der Transitlast von rund 10 GW realisieren zu können, ist ein entsprechender Ausbau der Transportkapazitäten nötig, wobei im NEP nicht deutlich wird, ob der zunehmende Stromhandel ein Ergebnis der Verfügbarmachung des HGÜ-Overlays ist, oder ob das HGÜ-Overlay Ergebnis eines verstärkten Stromtransits durch Deutschland ist.

Die Netzbetreiber sollten im Interesse der Transparenz diesen Aspekt noch mehr beleuchten und hierrüber Klarheit schaffen.

Obwohl die „Projektsteckbriefe“ der HGÜ-Trassen nunmehr ausweisen, bei welchen Projekten es sich um PCI handelt, ist die europäische Dimension der Trassen aus der Begründung jedoch weiterhin nicht ersichtlich, die sich hauptsächlich auf nationale Lastflussverschiebungen begründet. Der einfache Querverweis auf einen Status als PCI oder auf den TYNDP ist hier nicht ausreichend. Aus den Projektsteckbriefen sollte sehr deutlich hervorgehen, warum ein Projekt Bestandteil des TYNDP oder gar PCI ist und damit dessen Rolle für die nationale bzw. europäische Netzentwicklungsplanung deutlich bewertet werden. Denn da die Randbedingungen und Modellierungen des europäischen Strommarktes weder in diesem NEP Strom 2030 noch im TYNDP 2016 der europäischen Vereinigung der Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sind, drängt sich weiterhin der Verdacht auf, dass die bislang durch die deutschen Netzbetreiber erbrachten Begründungen für die Notwendigkeit der HGÜ-Trassen in diesem Ausmaß einer innerdeutschen Betrachtung nicht sachgerecht waren und sind. Es muss im Interesse der deutschen Übertragungsnetzbetreiber sein, diesen Verdacht auszuräumen.

Es wird durch die bislang erbrachten Begründungen auch weiterhin nicht vermittelt, weshalb es vorteilhaft sein soll, bei der bestehenden und prognostizierten weiteren Zunahme der Stromerzeugungsüberschüsse in Norddeutschland noch zusätzliche Interkonnektorenkapazitäten aus Norden in das deutsche Netzgebiet zu schaffen, die zur deutlichen Erhöhung dieses Stromüberschusses weiterhin beitragen können. Der simple Verweis auf die Verfügbarmachung von skandinavischen oder alpinen Speicheroptionen ist angesichts der Lastflusskapazitäten nicht nachvollziehbar, die in einem akuten Regelfall (Dunkelflaute bei hauptsächlich Erneuerbarer Erzeugung bzw. Starkwindereignisse) als viel zu niedrig angesetzt erscheinen, da hier große Strommengen in kurzer Zeit verschoben werden müssten.

Sollten die zusätzlichen HGÜ-Kapazitäten notwendig sein, um das südeuropäische Marktgebiet mit dem skandinavischen zu verbinden, und sollten die Gleichstromtrassen zumindest anteilig dieselbe Aufgabe haben, dann wäre das auch so klar im Interesse der Öffentlichkeit und der politischen Entscheidungsträger zu formulieren.

Problem 5:
fehlende Sensitivitätenbetrachtung: Marktregulierung

Eine Anregung aus der Konsultation zum NEP 2025 wiederholend, wäre im Rahmen der Sensitivitätenbetrachtung abzuwägen, inwieweit sich reglementierende Eingriffe in den Strommarkt durch den Gesetzgeber (beispielsweise durch Zuschreibung der Verlustkosten auf die jeweilige Erzeuger- und Verbraucherseite) auf die Ergebnisse der jeweiligen Marktsimulationen auswirken würden. Hier wäre konkret die Frage zu klären, inwieweit sich das HGÜ-Overlay-Netz bei erheblich geringeren Stromtransiten immer noch als „robust“ darstellen würde. Ein konkreter Ansatz wäre hier, die Kosten für den stromhandelsseitig erforderlichen Netzausbau bzw. den für die Spitzenlast der Stromtransite in einer Stunde erforderlichen Netzausbau sowie den zukünftigen Netzbetrieb und Verluststrommengen auf die Verursacher der Lastflüsse anstatt die Verbraucher umzulegen und zu ermitteln, wie sich derartige Preissignale auf den Marktwert bestimmter Stromerzeugungen auswirkt. Da sich der Handel mit Strom bei derartigen Eingriffen in den Markt aus Kostengründen mehr regionalisieren würde, müsste somit auch der Transportbedarf erheblich sinken.

Letzteres ist im Hinblick auf das prognostizierte Außenhandels- und Stromtransitvolumen im europäischen Kontext von besonderem Interesse, da der massive Ausbau der Interkonnektoren- und Durchleitungskapazitäten in einem volkswirtschaftlichen Missverhältnis durch entstehende Verluststrommengen, Refinanzierungs- und Betriebskosten, die einseitig auf die Verbraucher umgelegt werden einerseits, und ökologischen Folgekosten andererseits stehen könnten.

 Ich fordere die Übertragungsnetzbetreiber auf,

  • die Methodik und Modellierung zur Erstellung der Netzentwicklungspläne durch eine dritte, unabhängige Stelle validieren zu lassen;
  • die Modellierungsgrundlagen und –spezifika inklusive der kompletten Methodik, eingehender Parameter und Lastflussdaten der Bundesnetzagentur zur Verfügung zu stellen oder anderweitig so zu veröffentlichen, dass diese durch Dritte verifiziert werden können.
  • die Ergebnisse und Begründungen des Netzentwicklungsplans Strom ausführlich in ihren jeweiligen europäischen Kontext zu stellen
  • weitere Sensitivitäten zu identifizieren und für ein Referenzszenario „Netzminimierung“ heranzuziehen und dieses Szenario so auszulegen, dass dargestellt wird, unter welchen Marktbedingungen unter Einhaltung der energiepolitischen Ziele der Bundesregierung gar kein bzw. der geringste nötige Netzneubau möglich wäre
  • die Entwicklung der Netzentgelte der Übertragungsnetze nach gegenwärtiger Kostenwälzung sowohl für Privat- als auch für Industriekunden für jedes Szenario und jede Regelzone gesondert zu prognostizieren
  • Transparenz bezüglich der bestehenden Netzinfrastruktur herzustellen und die Bundesregierung über den Zustand der Übertragungsnetze zu informieren