Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Drucksache: 19/18967

Votum der LINKEN: Ablehnung

 

Inhalt des Gesetzes:

1. Der Gesetzentwurf reagiert im Bereich der Langzeitpflege (SGB XI) auf die zugespitzte Situation mit mehreren Einzelmaßnahmen.

2. Eingeführt wird eine Corona-Bonuszahlung in Höhe von 1.000 Euro für Pflegebeschäftigte in Pflegeeinrichtungen. Finanziert wird die Einrichtung von Kurzzeitpflegeplätzen in Rehabilitationseinrichtungen (noch verbessert durch die ÄA), um die Pflegebedürftigen zu entlasten.

3. Der monatliche Entlastungsbetrag von 125 Euro im Pflegegrad 1 kann flexibler genutzt werden, nicht genutzte Leistungen können in der häuslichen Pflege auf spätere Zeiträume übertragen werden, Pflegeunterstützungsgeld erhalten mehr Personen und - nach den ÄA - auch für 20 (nicht nur 10 Tage) und andere Verbesserungen.

4. Es sollen mehr Tests durchgeführt werden, dafür gibt es eine neue Verordnungsermächtigung für die Bundesregierung, in der diese genaueres festlegen soll.

5. Es gibt Erleichterungen für Krankenhäuser: Wegfall von Prüfungen der Strukturqualität, Regelungen zum Pflegeentgeltwert sowie Konkretisierungen der Prämien für leerstehende Betten.

6. Um zu verhindern, dass privat Krankenversicherte aufgrund vorübergehender Hilfebedürftigkeit dauerhaft im Basistarif der privaten Krankenversicherung versichert sein werden, erhalten sie ein Rückkehrrecht in ihren vorherigen Versicherungstarif unter Berücksichtigung vormals erworbener Rechte ohne erneute Gesundheitsprüfung, wenn sie die Hilfebedürftigkeit innerhalb von drei Jahren überwunden haben.

7. Die Mindestvorgaben für Präventionsausgaben der Kranken- und Pflegekassen werden für 2020 aufgehoben, da z.B. Präsenzkurse der Verhaltensprävention gerade nicht möglich sind.

8. Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Durchführung von Pilotprojekten zur Ermöglichung der Verwendung elektronischer Verordnungen von digitalen Gesundheitsanwendungen

 

Anmerkungen:

1. Gemessen am Ausmaß der Pandemie und der Gefährdungslage für die betroffenen Menschen – Pflegebeschäftigte und überwiegend ältere Menschen mit Pflegebedarf – sind diese Einzelmaßnahmen nicht bedarfsgerecht.

2. Auch wenn die Bonuszahlung nicht nur für Pflegekräfte, sondern für alle Beschäftigten in der Langzeitpflege gilt (also auch Betreuungs- und Servicekräfte), bleibt unverständlich, warum andere nichtärztliche Gesundheitsberufe ausgeschlossen sind. Unsicher ist auch, ob alle anspruchsberechtigten Beschäftigten sie in voller Höhe erhalten und ob die Refinanzierung vollständig und über Steuern gesichert wird.

3. Andere Verbesserungen – wie der längere Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld von 20 Tagen oder Kurzzeitpflegeplätze in Rehaeinrichtungen - gelten nur bis 30.09.2020 und sollten bis zum Ende der epidemischen Lage verlängert werden. Gesamtgesellschaftliche Verantwortung erfordert Steuerfinanzierung – ansonsten drohen höhere Versicherungsbeiträge und weiter steigende Eigenanteile für die Familien mit Pflegebedarf.

4. Mehr Testungen sind gut. Allerdings ist die Finanzierung nicht geklärt. Sie wird den Krankenkassen und für nicht in der GKV Versicherte dem Gesundheitsfonds übergeholfen. Zwar gibt es in der Begründung die Aussage, in der zweiten Jahreshälfte würde über einen krisenbedingt erhöhten Bundeszuschuss zwischen BMG und BMF verhandelt. Es fehlt aber die klare Zusage, die Liquidität der Kassen und des Gesundheitsfonds aufrechtzuerhalten und mit Steuermitteln in jedem Fall Erhöhungen der Zusatzbeiträge und erst recht Kasseninsolvenzen zu verhindern.

5. Bei den Krankenhäusern bleibt im Prinzip alles beim Alten: Es findet keine Systemänderung hin zu einer Selbstkostendeckung statt. Nur so könnten aber sowohl wirtschaftliche Anreize, die einer guten Versorgung im Weg stehen als auch Gewinne und Verluste in der Krise verhindert werden.

6. Das ist eine Verbesserung. Wie die Bundesregierung richtig feststellt, ist eine erneute Gesundheitsprüfung bei Rückkehr in den alten Tarif auch ohne Corona ein Problem. Daher ist zu begrüßen, dass diese Regelung unbefristet gilt. Die PKV wehrt sich gegen diese Reglung und zeigt damit erneut, dass das Risikoprinzip ungeeignet ist, eine gute Absicherung auch bei wegbrechendem Einkommen sicherzustellen. Die richtige Schlussfolgerung wäre aber die Abschaffung der PKV.

7. Es wäre gerade jetzt wichtig in den Lebenswelten, insbesondere Betrieben, Schulen/Kitas/Hochschulen, Maßnahmen der Infektionsprophylaxe vorzunehmen und präventives Verhalten zu unterstützen. Diese Maßnahmen passen hervorragend in den Präventionsauftrag der Krankenkassen und können aus dem §20-Budget finanziert werden. Die Regelung wird daher in der jetzigen Form abgelehnt.

8. Grundsätzlich kritisch, denn die digitale Verordnung von Gesundheits-Apps Nach DVG soll noch ohne Telematik-Infrastruktur getestet werden. Das ist überhastet und installiert unnötige Doppelstrukturen, um den ambitionierten Zeitplan des DVG zu halten. Es ist zudem sehr fraglich, ob diese Regelung in einem Corona-Notgesetz stehen sollte.

Entscheidend für die Ablehnung ist insbesondere die weitere finanzielle Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung. Da Einnahmen wegbrechen und Ausgaben steigen sind hier Liquiditätsprobleme absehbar. Es braucht daher in dieser Sondersituation dringend einen erhöhten Bundeszuschuss, nicht nur wolkige In-Aussicht-Stellungen. Ähnliches gilt in der Pflegeversicherung; hier wird die ungelöste Finanzierungsfrage beim Pflegebonus für Beitragserhöhungen und höhere Eigenanteile sorgen. Die fehlende Berücksichtigung anderer Berufsgruppen kommt dazu. Außerdem ist der fehlende Systemwechsel bei der Krankenhausfinanzierung auch entscheidend.