Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz)
Drucksache: 19/19150
Votum der LINKEN: Enthaltung
Inhalt des Gesetzes:
1. Der Umsatzsteuersatz wird vom 30.06.2020 bis zum 01.07.2021 auf erbrachte Restaurantdienstleistungen, mit Ausnahme des Getränkeverkaufs, von 19 auf 7 Prozent abgesenkt.
2. Die bisherige Übergangsregelung zu § 2b UStG wird aufgrund vordringlicherer Arbeiten 2/6 der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere der Kommunen, zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie bis zum 31.12.2022 verlängert.
3. Entsprechend der sozialversicherungsrechtlichen Behandlung werden Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld bis 80 Prozent des Unterschiedsbetrages zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt steuerfrei gestellt.
4. Die steuerlichen Rückwirkungszeiträume in § 9 S. 3 und § 20 Abs. 6 S. 1 u. 3 UmwStG werden vorübergehend verlängert, um einen Gleichlauf mit der Verlängerung des Rückwirkungszeitraums in § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.03.2020 zu erzielen.
Insgesamt führen diese Regelungen zu Steuermindereinnahmen in Höhe von 2,73 Mrd. Euro, davon allein 2,7 Mrd. Euro Mindereinnahmen durch die Umsatzsteuersenkung.
Anmerkungen:
1. Umsatzsteuersenkung Speisen im Gastronomiebereich
Eine generelle Umsatzsteuersenkung für den Verzehr in Restaurants ist aus unserer Sicht nicht zielführend. DIE LINKE will Kneipen, Restaurants, Gaststätten etc. in der Corona-Krise retten, dafür halten wir jedoch direkte Zuschüsse für wirksamer.
Wir sprechen uns für ein zweites Rettungspaket für Selbstständige, kleine Unternehmen etc. aus. Denkbar sind des Weiteren die Stundung von Pachtzahlungen an die Immobilieneigentümer/innen, eine Koppelung der Rückzahlbarkeit von KfW-Krediten an die Unternehmensgewinne sowie die Umwandlung von KfW-Krediten in Zuschüsse, falls Umsatz und Gewinne noch länger zu niedrig sind. Die bisherigen Hilfsmittel reichen zum einen in Umfang und Höhe nicht aus, zum anderen profitieren noch längst nicht alle Betriebe davon. Es drohen weiterhin massenweise Insolvenzen, insbesondere bei den kleinen Gaststätten und Kneipen.
Gerade den Gastronomiebetrieben, die es am Nötigsten haben, weil sie kurz vor der Insolvenz stehen, wird eine Umsatzsteuer-Absenkung nicht ausreichen, um wieder auf die Beine zu kommen. Denn diese brauchen jetzt sofortige finanzielle Unterstützung, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Direkte Zuschüsse können sich z.B. an den bis zu Beginn der Corona-Krise offiziell und ehrlich deklarierten Umsätzen bemessen. Überdies könnten sich Hilfen an der Tariftreue orientieren.
Auch wenn „offiziell“ eine Preissenkung für Kund/innen durch die Umsatzsteuersenkung in Aussicht gestellt wird, um die Nachfrage zu stimulieren, ist es sehr fraglich, inwieweit diese Steuersenkung tatsächlich an Kund/innen weitergegeben wird (vgl. jüngst die sog. Tampon-Steuer). Eher wird es zu einer Gewinnmargenerhöhung der Betriebe kommen (umgekehrt bedeutet dies eine verdeckte Preiserhöhung für Kund/innen; Deutsche Steuer-Gewerkschaft: "Charakter einer Subvention"). Eine deutliche Umsatzsteigerung ist selbst bei einer Preissenkung unwahrscheinlich, denn Restaurants etc. werden nach Wiederöffnung allein schon aufgrund von Abstandsregelungen weniger umsetzen. Zugleich dürfte die Nachfrage nach Restaurationsleistungen etwas niedriger ausfallen, da aufgrund der andauernden Bedrohung durch COVID-19 viele Menschen den Aufenthalt in Gaststätten etc. wahrscheinlich weiterhin meiden. Letztlich würden vor allem große Gastronomiebetriebe und Sterne-Restaurants, mit einem großen Außenbereich bzw. mit viel Platz zwischen den Tischen, überproportional von einer Umsatzsteuersenkung profitieren, da sie viel mehr Umsatz als andere Betriebe machen können.
Derzeit verkaufen ohnehin schon viele Restaurants ihre Speisen außer Haus; hierfür wird nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz fällig. Kneipen, Bars und Clubs, die ausschließlich Getränke anbieten, werden jedoch gar nicht von einer Steuerentlastung für Speisen profitieren. Hier sind Soforthilfen für getränkebasierte Geschäftsmodelle notwendig.
Eine Wiederanhebung der Umsatzsteuer nach Ablauf eines Jahres ist politisch sehr schwer vermittelbar, erst recht, wenn der Termin für die Wiederanhebung in Wahlkampfzeiten fällt. DEHOGA und Co. werden dann argumentieren, dass man die großen Verluste aufgrund der Corona-Krise innerhalb eines Jahres nicht aufholen konnte und eine Verlängerungsregelung nötig sei. Es besteht die Gefahr einer Dauersubvention. Auch andere Dienstleistungsbetriebe werden eine vergleichbare Absenkung des Umsatzsteuersatzes beanspruchen.
Nach wie vor gibt es das Problem, dass Umsätze „schwarz“ vereinnahmt werden – dies dürfte auch durch die Umsatzsteuersenkung nicht abnehmen, sondern angesichts zu erwartender Umsatzrückgänge eher zunehmen. Der gespaltene Steuersatz von 7 und 19% eröffnet zudem Betrugspotenzial, indem man z.B. „Getränke“ auf „Speisen“ bonniert (Dt. Steuer-Gewerkschaft).
2. Fristverlängerung § 2b UStG
Die Fristverlängerung bezüglich § 2b UStG unterstützen wir. Eine Beibehaltung des bisherigen Endes der Übergangsfrist hätte negative Folgen u.a. für die interkommunale Zusammenarbeit, die Daseinsvorsorge sowie die Leistungsfähigkeit von Kommunen, aber auch anderer jPdöR mit sich gebracht.
In Folge der Einführung des § 2b UStG mussten Kommunen ihre wirtschaftliche Betätigung umsatzsteuerrechtlich neu bewerten. In der kommunalen Praxis traten immer wieder Abgrenzungs- bzw. Anwendungsprobleme und Unklarheiten auf.
DIE LINKE hat sich immer gegen die Einführung von § 2b UStG ausgesprochen (auch wenn es eine Anpassung an § 13 der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie war). Denn allzu oft ist fraglich, ob erbrachte wirtschaftliche Leistungen dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sind oder ob diese Leistungen genau wie von anderen, privaten Marktteilnehmer/innen erbracht werden. Umsatzsteuerrechtliche Anwendungsprobleme gibt es z.B. dort, wo kommunale Unternehmen Leistungen ohne öffentlichen Wettbewerb für ihre Kommunen erbringen.
Die Bundesregierung schreibt in ihrer Gesetzesbegründung – „In dem bereits seit 2016 laufenden Übergangszeitraum konnte eine wesentliche Verzerrung des Wettbewerbs bislang nicht festgestellt werden und es ist nicht damit zu rechnen, dass sich eine solche bei einer Verlängerung um zwei Jahre ergeben wird.“ Hier stellt sich die Frage, inwieweit das Argument „Wettbewerbsverzerrung“ immer nur vorgeschoben wird.
In der Praxis zeigt sich des Weiteren immer mehr, dass der Knackpunkt ebenfalls in der Organisation der Steuerprozesse innerhalb der Behörden liegt. Daher ist die Verlängerung der Übergangsfrist u.a. zur Implementierung der Tax-Compliance-Strukturen wichtig.
DIE LINKE spricht sich alles in allem dagegen aus, die öffentliche Hand und private Unternehmen umsatzsteuerrechtlich weitestgehend gleich zu behandeln. Wir sind der Auffassung, dass der öffentliche Bereich nicht zuletzt aufgrund seiner Verantwortung für eine umfassende Daseinsvorsorge gegenüber privaten Anbieter/innen steuerlich privilegiert werden darf. Zu prüfen ist, wie nachdrücklich man auf eine Änderung des EU-Rechts drängen möchte, um eine dauerhafte Umsatzsteuerbefreiung der öffentlichen Hand und damit mehr Rechtssicherheit zu erreichen.
3. Steuerfreistellung Arbeitgeber-Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld (KUG)
DIE LINKE begrüßt grundsätzlich die Maßnahme, da sie die Entgeltausfälle von Kurzarbeiterinnen und -arbeitern mindert. Faktisch handelt es sich aber nur um eine einkommensteuerliche Teilbefreiung, da Arbeitgeber-Zuschüsse – wie auch KUG selber – dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
So werden KUG und Arbeitgeber-Zuschüsse zwar nicht beim zu versteuernden Einkommen des Jahres 2020 eingerechnet. Aber: Der persönliche Steuersatz, der auf das zu versteuernde Einkommen anzuwenden ist, wird ermittelt, indem KUG und Arbeitgeber-Zuschüsse einbezogen werden. Folge: Sofern Arbeitnehmerinnen und -nehmer im Kalenderjahr zusätzlich reguläres Arbeitsentgelt beziehen, wird dieses regelmäßig höher als ohne Progressionsvorbehalt besteuert. Für viele Arbeitnehmerinnen und -nehmer wird das im Corona-Krisenjahr 2020 eintreffen, da zumindest in den Monaten Januar und Februar noch Lohn oder Gehalt ausgezahlt wurden.
Zudem führt die Unterwerfung unter den Progressionsvorbehalt dazu, dass Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter für das Jahr 2020 zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet werden. Die für sie neue Veranlagungspflicht wird Insbesondere abhängig Beschäftigte kalt überraschen, die bisher keine Steuererklärung abgeben mussten.
Unverständnis und Frust bei den Betroffenen sind daher vorprogrammiert, insbesondere wenn die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung gar noch zu einer Steuernachzahlung führt. Herr Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft hat zutreffend formuliert: „Der Progressionsvorbehalt ist einem Normalbürger kaum verständlich zu machen.“
Die Fraktion DIE LINKE fordert daher: Keine Anwendung des Progressionsvorbehalts auf KUG und Arbeitgeber-Zuschüsse.
4. Nicht aufgenommene Maßnahmen
Eine für den Veranlagungszeitraum 2020 geltende Regelung zur Abmilderung der Belastungen für abhängig Beschäftigte durch das sog. Homeoffice. Bundesverband der Lohnsteuerhilfevereine und DGB hatten hierzu eine einfach umzusetzende, unbürokratische Lösung vorgeschlagen. Grund: Abhängig Beschäftigte erfüllen in aller Regel nicht die Voraussetzungen, um die durch Homeoffice entstandenen Kosten mittels häuslichem Arbeitszimmer geltend zu machen.
Aussetzung der Verjährungsfristen bei Steuerhinterziehung um mindestens ein Jahr. Grund: Gefahr des Eintritts von Festsetzungsverjährungen Ende 2020 und somit der Nichtrealisierung von Steueransprüchen in Hinterziehungsfällen infolge der eingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Finanzverwaltung und der Strafverfolgungsbehörden. Dies vor dem Hintergrund zahlreicher Fristverlängerungen für Steuerzahlungen und -vorauszahlungen.