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Smart Meter: Notwendig für die Energiewende oder neue Datenkrake?

Es klingt fast nach Verschwörungstheorie, ist aber ein echtes Problem: Mit dem neuen, Ende Juni beschlossenen Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende werden nach und nach Smart Meter (intelligente Stromzähler) auch in Privathaushalten eingebaut werden, mit denen man sogar feststellen kann, welches Fernsehprogramm jemand sieht. Offiziell soll das nicht der Zweck der Datenerhebung über die neuen Stromzähler sein, aber diese Stromzähler können das komplette Stromverbrauchsverhalten erfassen. Wozu das Ganze? Die vier Betreiber des Höchstspannungsnetzes in Deutschland erhoffen sich von den Smart Metern einen Beitrag zur Systemstabilität. Die sekundengenauen Daten der Stromzähler werden laut ÜNB zur exakten Abrechnung sogenannter Bilanzkreise benötigt und verbessern die Analyse des Stromverbrauchs und des zu erwartenden Strombedarfs. Die Bilanzkreise – das sind Marktsegmente, innerhalb denen Strom erzeugt, gehandelt und verbraucht wird, sollen so marktwirtschaftlich effektiver funktionieren und sich der Stromnachfrage bzw. der Stromerzeugung  anpassen. Dabei soll Energie eingespart werden.

Noch vor wenigen Monaten wurde verlautbart, dass Smart Meter vor allem im stromerzeugenden Segment eingesetzt werden sollen – also dort, wo beispielsweise durch eine Photovoltaikanlage Strom ins Netz eingespeist werden soll. Die Übertragungsnetzbetreiber selbst haben auf öffentlichen Veranstaltungen davon gesprochen, dass das Stromeinsparpotential im reinen Verbrauchssegment bei privaten Haushalten zu gering sei, als dass dort Smart Meter wirtschaftlich eingesetzt werden sollten. Dennoch sollen nun laut Gesetzentwurf alle Verbraucher einbezogen werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ab 2017 mit dem Einbau der intelligenten Zähler begonnen wird. Zunächst bei Verbrauchern mit 6.000kWh/Jahr und darüber (zum Vergleich: ein normaler 4-Personen-Haushalt hat im Mittel einen Verbrauch von 3.500kWh/Jahr). Nach und nach soll der Smart Meter auch in unteren Verbrauchssegmenten eingeführt werden.

Dabei würden mindestens 60€ Einbaukosten und 20€ zus. Auswertungskosten für Stromkunden entstehen. Soviel Einsparpotential gibt es in normalen Haushalten über die Verlagerung des Stromverbrauches nicht. Unterm Strich bringen die Smart Meter den Verbrauchern also keinen finanziellen Vorteil, wohl aber den Produzenten dieser Zähler, denen ein staatlich garantiertes Millionengeschäft winkt.

Problematisch sind Smart Meter aber nicht nur durch die Datenerhebung, sondern vor allem durch die Datenkommunikation. Die Daten können nur per Funk, über das Stromnetz oder über eine Internetverbindung an die Netzbetreiber übermittelt werden. Dabei entstehen entweder zusätzliche Belastungen durch elektromagnetische Felder oder die private Internetverbindung muss genutzt werden. Diese Probleme blendet der Gesetzentwurf aus.

Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung, dass ein Missbrauch der Daten ausgeschlossen ist. Es sollen nur diejenigen Marktteilnehmer diejenigen Daten erhalten, die für ihr Geschäft notwendig sind. Aber: wir erinnern uns alle an den trotz aller Sicherheitszertifizierungen erfolgreichen Angriff auf Bundestagsserver im Jahr 2015. Smart Meter können Verbrauchsschwankungen im Milliampere-Bereich aufzeichnen. So ist es nicht nur möglich, zu ermitteln, wann jemand die Kühlschranktür öffnet, sondern sogar, welches Fernsehprogramm geschaut wird. Derartig sensible Daten dürften weder erhoben, noch über angeblich sichere Datenleitungen versendet werden.

Das ganze Gesetz geht an der Realität vorbei. Die im Gesetz vorgeschriebene Technik passt nicht zur jener, die standardmäßig in Solar- und Windanlagen einsetzt wird. Mehrere tausend Euro Umrüstkosten je Anlage würden entstehen. Wenn alle Stromkunden gleichzeitig billige Stromangebote nutzen würden, also eine marktwirtschaftliche Laststeuerung einsetzt, wird ein zusätzlicher Stromnetzausbau unvermeidbar sein (laut Aussage Deutscher Energienetzagentur), den Stromkunden über Netzentgelte bezahlen müssen. Und noch eine Frage bleibt unbeantwortet: Wie steht es mit der Systemsicherheit? Was passiert, wenn Millionen intelligente Stromzähler durch einen Softwarefehler oder gezielte Hacker-Angriffe gleichzeitig ausfallen, kann man im Roman „Black Out – Morgen ist es zu spät“ von Marc Elsberg nachlesen, der auf einem Bericht des Bundestages beruht.

Der Bundesrat hat sich strikt dafür ausgesprochen, die Einführung der Smart Meter bei Großlastkunden zu belassen, d.h. die Messgeräte bei Stromkunden mit einem Verbrauch von weniger als 20.000kWh/Jahr nicht einzubauen – aufgrund von Unwirtschaftlichkeit und unklarem Einspareffekt. Die Bundesregierung und die große Koalition haben dieses Votum jedoch nicht berücksichtigt.

DIE LINKE fordert Smart Meter nur bei Stromkunden bzw. Privathaushalten einzubauen, die einen Jahresverbrauch über 20.000 kWh aufweisen, Datenschutz zu gewährleisten und keine zusätzlichen elektromagnetischen Belastungen, die bei der Übertragung von Internetdaten über das Stromnetz oder über Funk entstehen, zuzulassen.

Übrigens: es gibt eine Alternative zum Smart Meter. In der Schweiz wurde mit dem Swiss Meter eine technische Lösung vorgeschlagen, die den Verbrauch innerhalb von Haushalten so regelt, dass je nach Stromtarif mehr oder weniger Strom verbraucht wird. Das ist tatsächlich effizient und kommt völlig ohne Aufzeichnung von Verbrauchsdaten beim Stromkunden aus. Hier senden die Netzbetreiber die Informationen an den Stromzähler und nicht umgekehrt. Weshalb solche Systeme nicht gefördert werden, bleibt bislang unbeantwortet. Sie wären im Interesse der Datensicherheit der Bürgerinnen und Bürger und würde einen echten Beitrag zur Energieeinsparung und zum Gelingen der Energiewende sein.