Nicht um Exzellenzmittel streiten, sondern gemeinsam an exzellenter Forschung arbeiten

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! 

Herr Staatssekretär, wenn ich Sie so höre, dann habe ich den Eindruck: Die europäische Zusammenarbeit in der Forschung gestaltet sich für Sie so, wie Sie den Binnenmarkt verstehen: Forschung muss wertvoll sein und den Regeln der Profite unterworfen werden. Was das heißt, sehen wir: Die Starken gewinnen, die Schwachen sterben. Diese Unterwerfung der Forschung unter die Wirtschaftlichkeitskriterien lehnt die Linke ab. 

In Europa soll die Wissens- und Innovationsentwicklung als reiner Wettbewerb verstanden werden. Zukünftig müssen die Forscherinnen und Forscher dann noch mehr als bisher um Förderungen kämpfen, statt unabhängig zu forschen und gemeinsam die Probleme der Gesellschaft zu lösen. 

Förderkriterien, Exzellenzinitiativen und der Zwang zur Vermarktung von Ideen verschärfen Spaltung und Konkurrenz innerhalb der EU. Wie sollen die finanzschwachen Länder Europas ihren Eigenanteil aufbringen, um EU-Mittel aus Förderprogrammen zu erhalten? Wie sollen diese Länder die besten Köpfe an ihren Forschungseinrichtungen halten, wenn sie wie Griechenland gezwungen werden, Gehälter massiv zu senken? Und wie soll sich dann eine innovative Wirtschaft entwickeln? 

Man muss dafür bei Ihnen nicht einmal zwischen den Zeilen lesen, um zu erkennen: Deutschlands Vorreiterrolle in Europa soll ausgebaut werden. Die Strategie der Regierung priorisiert effektivere nationale sprich: deutsche Forschungssysteme. Auch im Forschungsbereich opfern Sie die Idee eines einigen, fortschrittlichen Europas den kurzfristigen Wettbewerbsvorteilen Deutschlands. Heute gewinnt Deutschland vom neuen „keep the brains“, dem Nehmen der besten Köpfe. 

In Griechenland, wo Universitäten geschlossen werden müssen, wandern die besten Forscherinnen und Forscher ab. Spanien verliert die besten Köpfe, weil andere Länder besser zahlen können. 

Die Koalition und die deutschen Konzerne jubeln über solche Abwanderungen und ignorieren die Nebenwirkungen. 

An deutschen Forschungseinrichtungen wächst der Konkurrenzdruck zwischen den Beschäftigten. Eine Folge ist der Befristungs- und Teilzeitwahn an unseren Hochschulen. Weniger als 10 Prozent der wissenschaftlichen Beschäftigten sind unbefristet und in Vollzeit beschäftigt. Das ist unerträglich. 

Statt sich um Nachwuchs zu kümmern, schöpfen die deutsche Industrie und die deutschen Forschungseinrichtungen aus dem EU-Pool und sparen bei Gehältern und Ausbildung. Was passiert, wenn in einigen Jahren die ärmeren EU-Staaten wie Griechenland, Spanien und Portugal ausgeblutet sind, wenn der Pool leer ist, wenn der Nachwuchs fehlt? 

Im Interesse Deutschlands und der europäischen Integration fordert die Linke: erstens bessere Arbeitsbedingungen an Forschungseinrichtungen, und zwar über ein Wissenschaftszeitvertragsgesetz in Deutschland; zweitens eine bessere Grundfinanzierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, damit Forscher nicht um Exzellenzmittel streiten, sondern gemeinsam an exzellenter Forschung arbeiten; drittens, dass sich die Bundesregierung dafür einsetzt, dass finanzschwache EU-Staaten EU-Forschungsmittel ohne Eigenanteil erhalten; viertens, ein Ende der Politik „keep the brains“ und mehr Nachwuchsförderung in Deutschland und in der EU. 

Mit unseren Forderungen sind europaweit bessere Forschungsbedingungen erreichbar. Wir Linke kämpfen für eine zukunftsweisende Forschungslandschaft, die ein soziales, ökologisches und gebildetes Europa unterstützt.