Zwischenfrage: Perspektive Atomkraft an MdB Dr. Nina Scheer

Ralph Lenkert (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Frage zulassen. – Stimmen Sie mir zu, dass weltweit seit 2000 keine zusätzlichen Atomkraftwerke in Betrieb gegangen sind, sondern dass jede neue Inbetriebnahme irgendwo mit der Stilllegung eines anderen gegengerechnet werden müsste? Stimmen Sie mir zu in der Aussage, dass die durchschnittlichen Planungs- und Bauzeiten eines Atomkraftwerkes 20 Jahre und länger betragen?

(Karsten Hilse [AfD]: Das stimmt schon lange nicht mehr!)

Und ist Ihnen bekannt, dass zum Beispiel Flamanville in Frankreich mit Kosten von 3 Milliarden Euro und einer Fertigstellung vor vielen Jahren geplant wurde – Baubeginn war 2007 – und dass inzwischen mit einer Inbetriebnahme vielleicht 2025 und Kosten von über 22 Milliarden Euro gerechnet wird? Stimmen Sie mir also zu, dass Atomkraft wirklich keine Perspektive ist und vor allem keine kurzfristige? Und vielleicht als Letztes zur Preiswertigkeit: Wie bewerten Sie eigentlich, dass Hinkley Point C in Großbritannien eine garantierte Vergütung von 12,5 Cent je Kilowattstunde plus jährlichen Inflationsausgleich plus Zusicherung für 35 Jahre plus 30 Prozent Investitionszulage –

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Lenkert.

Ralph Lenkert (DIE LINKE): – und plus garantierter Abnahme des Atommülls kriegt?

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin, das geht ja wahrscheinlich ganz schnell mit Ja oder Nein. (Heiterkeit des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sag Ja, Nina! Einfach Ja sagen! Er hat vollkommen recht!)

Dr. Nina Scheer (SPD): Ich stimme Ihnen in allen Punkten zu. In der Tat: Auch gerade das Hinkley-Point-C-Förderprogramm zeigt, dass die Atomenergie, um laufen zu können, mit einem fast doppelt bis dreifach so großen Paket ausgestattet werden musste, als man das bei der Förderung von erneuerbaren Energien braucht. Sie haben alle Zahlen genannt, die in diesem Kontext unbedingt noch zu erwähnen gewesen waren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich möchte noch mal auf die Frage der Versicherbarkeit zurückkommen; auch das ist ja hier angesprochen worden. Wenn unterstellt wird, dass Atomenergie bezahlbar sei, dann muss man einfach noch mal in Erinnerung rufen – in Deutschland haben wir das ja nun hinter uns –: Weltweit gibt es keine Atomenergienutzung, die nicht zugleich durch staatlich festgesetzte Versicherungshöchstgrenzen ermöglicht worden wäre. Diese Versicherungshöchstgrenzen gab es auch im deutschen Atomgesetz; bei uns war es eine Versicherungshöchstgrenze von 2,5 Milliarden Euro. Darüber hinausgehende Kosten hätte die Gesellschaft, die Gesamtgesellschaft – –

(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Jede Sachversicherung hat eine Höchstgrenze! – Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja, aber der Schaden ist größer, Herr Wiener!) – Das stimmt doch überhaupt nicht. (Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Natürlich! Gucken Sie doch mal in Ihre Kfz-Versicherung! Da haben Sie auch eine! – Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie vergleichen ein AKW mit einem Kfz? Echt jetzt? Das ist ja der Hohn!) – Was haben Sie denn für eine Kfz-Versicherung? Die möchte ich gerne mal sehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Ach!) Das stimmt einfach nicht, was Sie behaupten. (Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Es gibt immer Höchstgrenzen!) – Nein, (Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Ja!) es gibt keine Höchstgrenzen per se. (Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Natürlich! – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Natürlich! Also wirklich! Das sagen Sie hier seit Monaten! Natürlich gibt es Höchstgrenzen! – Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr als ein Hohn! Ein Auto mit einem AKW zu vergleichen! Also, billiger geht’s nicht mehr! Unglaublich!)

Aber warum gibt es denn diese Höchstgrenze bei der Atomenergie? Darauf kommt es doch an. Es gibt sie, weil es sonst keine Versicherbarkeit gegeben hätte. Das ist doch der Punkt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das sagt etwas über die wahren Kosten der Atomenergie aus. Diese Kosten sind ja durch die Versicherungshöchstgrenze nicht beseitigt, sondern diese Kosten werden von der Allgemeinheit getragen.

(Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD])

Ich erwähne das hier, weil Sie immer und immer wieder der Allgemeinheit diesen Quatsch erzählen, dass Atomenergie billig sei. Das stimmt eben nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: – Doch! Bei den Grenzkosten ist es billig! Beim Weiterbetrieb ist es billig! – Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Hohn!)

Es sind Kosten, die von der Allgemeinheit zu tragen sind, und sie werden hinter Versicherungshöchstgrenzen versteckt. Sie werden auf die nachfolgenden Generationen verlagert, und das spiegelt sich auch bei den Versicherungshöchstgrenzen wider sowie bei den Endlagerkosten,

(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

die wir auch haben und die bis heute nicht bezifferbar sind. Wir haben zwar ein Entsorgungsfondsgesetz geschaffen, wir haben einen Entsorgungsfonds von 24 Milliarden Euro geschaffen; aber wir wissen nicht, ob das reichen wird.

(Karsten Hilse [AfD]: Fragen Sie doch die Finnen! Die haben ein Endlager! Fragen Sie einfach mal! Die können das beziffern!)

Das Geld ist super angelegt. Das haben wir in Deutschland toll geregelt, auch mit Nachhaltigkeitsvorschriften; das ist weltweit mitnichten der Fall. Es ist weltweit auch mitnichten der Fall, dass schon Endlagermöglichkeiten geschaffen worden wären. Deswegen ist auch das ein Kostenrisiko, das auf die nachfolgenden Generationen verlagert wird. Ich mache hier einen Punkt, sehr geehrte Frau Präsidentin, vor Ende meiner Redezeit.

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Wow!)

Ich hoffe, dass dieses Thema zum letzten Mal den Deutschen Bundestag beschäftigt hat. Es ist wirklich verschenkte Zeit. Kommen Sie endlich auf den Pfad, die erneuerbaren Energien zu stärken!

(Peter Beyer [CDU/CSU]: Jetzt redet sie ja doch weiter! Sie redet und redet!)

Denn das hilft den Menschen, das sorgt für günstigen Strom. Vielen Dank.