Stellungnahme zum Bahnverkehr in Thüringen

Zum Entwurf des 6. Nahverkehrsplanes Schienenpersonennahverkehrs in Thüringen für die Jahre 2023 - 2027 habe ich wie folgt Stellung genommen:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich nehme wie folgt im Rahmen der Anhörung zum Entwurf des Nahverkehrsplanes 2023-2027 Stellung:

Im kürzlich veröffentlichen Entwurf für den Regionalplan Ostthüringen war zu lesen: „Insbesondere sollen das Oberzentrum Jena als herausgehobener räumlicher Leistungsträger und Impulsgeber mit überregionaler Bedeutung gestärkt […] werden. Die Potenziale der Stadt Jena als Teil der ImPuls-Region Erfurt-Weimar-Jena und der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland sollen verstärkt genutzt werden.“

Jena ist vor allem als Arbeitsstandort für die gesamte Region attraktiv. Gleichzeitig hat der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Jena seit Jahrzehnten kaum freie Wohnungen zur Verfügung. Diese Wohnraumknappheit kann nur zusammen mit dem Umland sinnvoll und effektiv gelöst werden. Laut dem Thüringer Landesamt für Statistik fahren täglich 28 514 Menschen nach Jena zur Arbeit und 11 803 pendeln von Jena aus zu ihrer Arbeitsstelle (Stand 30.06.2022). Der Individualverkehr auf den Straßen kann diese Mengen nicht abfangen, ein gut ausgebauter Nahverkehr insbesondere auf der Schiene ist daher unerlässlich. Viele Menschen und Betriebe setzen auf die in 30-Minuten-Takt verkehrenden Züge im Saaletal. Dies belegen die stark gestiegenen Nutzungszahlen der letzten Jahre: Die Nachfrage auf der Saalbahn ist zwischen 2017 und 2019 um 60 bis 75 % gestiegen. Dies ist der mit Abstand größte Zuwachs an Fahrgästen auf allen Bahnlinien in Thüringen. (Quelle: Entwurf NVP 2023-2027, Seite 43). Mögliche Effekt des erfreulichen VMT-Beitritts des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt 2021 sind in diese Statistik noch nicht eingeflossen. Im Status quo besteht mit dem Angebot auf der Saalbahn eine durchaus mehr als konkurrenzfähige Alternative zum Individualverkehr.

Der vorliegende Entwurf sieht für die Saalbahn (KBS 560) eine Kürzung der Nahverkehrsleistungen um 25 % vor. Den Nahverkehrsnutzern zwischen Jena/Saalfeld - Halle/Leipzig sollen in Zukunft lediglich eine zweistündliche Expressverbindung Leipzig - Saalfeld und eine stündliche Regionalverbindung Halle - Saalfeld zur Verfügung stehen. Der Regionalexpress Saalfeld – Halle (RE 15/RE 18), die schnellste Verbindung an den Fernverkehr in Richtung Berlin, soll gestrichen werden. Infolgedessen würde der 30-Minuten-Takt zwischen Jena - Saalfeld entfallen.

 

Eine Kürzung des Nahverkehrsangebotes, wie sie jetzt vorgesehen ist, führt zu einer deutlichen Reduzierung der Attraktivität des Standortes zu einer Verlagerung der Mobilität auf den PKW, zur Abwanderung von Fachkräften (die keine Wohnung finden) und damit einer Beschleunigung des demografischen Wandels in dieser Region. In Summe muss mit einer Schwächung des Oberzentrums Jena sowie der ländlich geprägten Region außerhalb der Städtekette entlang der Mitte-Deutschland-Verbindung gerechnete werden.

Dieses Szenarium entspricht nicht den Zielsetzungen der rot-rot-grünen Landesregierung in Hinsicht auf Verkehrspolitik und Landesentwicklung. Vielmehr muss es weiterhin Ziel sein, dem tatsächlichen Bedarf an SPNV, dem Nutzerverhalten und der Verkehrswende im Allgemeinen Rechnung zu tragen. Es darf nicht dazukommen, dass sich tausende Pendler auf der Saalbahn durch die im Entwurf des NVP vorgesehene Kürzung im Stich gelassen sehen und angesichts der viel beschworenen nachhaltigen Verkehrs- bzw. Mobilitätswende Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik verlieren. Es wäre ein deutschlandweit einmaliges Vorgehen bei einer solchen, im Allgemeinen erwünschten Nachfragesteigerung für eine Bahnlinie das Angebot an Verbindungen zu kürzen.

Ich fordere Sie daher im Interesse der Menschen und der Region auf, den vorliegenden Entwurf des Nahverkehrsplanes so anzupassen, dass der bisher angebotene Nahverkehr mit 30-Minuten-Taktung auf der Saalbahn (KBS 560) in Qualität und Umfang zumindest aufrechterhalten wird. Gegebenenfalls ist dies durch eine Tarifintegration des Fernverkehrsangebots auf der Saalbahn (IC-Linie) zwischen Saalfeld und Naumburg mit Halt in Kahla zu gewährleisten. Eine der Zukunftskonzeption des 5. NVP 2018-2022 entsprechende Expressverbindung von Saalfeld nach Halle (Saale) sollte Aufnahme in den 6. NVP erhalten, um eine gute Anbindung an den Fernverkehr in Richtung Berlin anzubieten. Zu beachten ist außerdem, dass Verbindungen von Jena über Erfurt nach Halle/Leipzig/ Berlin bis zu 30,- Euro je Fahrt teurer sind, durch die deutlich längere Fahrstrecke.

 

In Hinblick auf die Anbindung an den Schienenfernverkehr für Jena vertrat die Landesregierung bisher offiziell folgende Haltung, die sie auch beibehalten sollte:

„Auch nach Inbetriebnahme der VDE 8.1/8.2 bleibt eine schnelle Eisenbahnfernverkehrsanbindung Teil des oberzentralen

Funktionsanspruchs der Stadt Jena“ (Zitat Landesentwicklungsprogramm Thüringen 2025, S. 24)

Es braucht daher in Hinblick auf das Oberzentrum Jena nicht einen gut ausgebauten SPNV oder eine adäquate Fernverkehrsanbindung, sondern beides. Wobei für das Land Thüringen die Absicherung des Regionalverkehrsangebots die oberste Priorität haben sollte.

 

Um das Mobilitätsangebot zwischen dem Umland und Jena auszubauen, schlage ich die Reaktivierung der Pfefferminzbahn bis Großheringen (RB 27) und Verlängerung bis Jena-Göschwitz vor. Ausgenommen von der Verlängerung bis Jena sollen lediglich die zur Verdichtung vorgesehenen zusätzlichen angebotenen Züge sein, diese sollten bis Großheringen verkehren. Das nördliche Weimarer Land und der Ostteil des Landkreises Sömmerda bieten neben möglichen Wohnraum mit der Kurstadt Bad Sulza, den Städten Kölleda und Buttstädt wichtige Nahtourismusziele für die Einwohner Jenas, sind jedoch mit Zug schlecht bis gar nicht zu erreichen. Jena als Oberzentrum ist für die medizinische Versorgung, Bildung und Studium und Freizeitkultur unverzichtbar. Es sollte das Ziel der Landesregierung sein, auch in diesen Fällen eine attraktive Alternative zum motorisierten Individualverkehr zu schaffen.

Hinzukommt, dass im Vergleich zu anderen Strecken die Schienen und Gleisanlagen zwischen Buttstädt und Großheringen trotz der vor Jahren erfolgten Abbestellung der SPNV-Leistung in diesem Streckenabschnitt in betriebsbereiten Zustand sind und es daher keine großen Infrastrukturinvestitionen bedarf.

 

Im Interesse der Menschen in meinem Wahlkreis und darüber hinaus würde ich mich freuen, wenn sie die beschriebenen Punkte in den 6. Nahverkehrsplan SPNV aufnehmen.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ralph Lenkert