Schwefelextremisten

Ralph Lenkert

Allein 15 der größten Schiffe emittieren mehr Schwefel bei der Verbrennung ihrer Treibstoffe als der gesamte weltweite Straßenverkehr. Die Einführung strengerer Grenzwerte für Schwefel in Schiffskraftstoffen durch die EU reduziert die Belastungen auf etwa ein Viertel und geht in die richtige Richtung. Damit tut sich die Bundesregierung aber bereits schwer.

Sehr geehrter Herr Präsident,

 

Geehrte Kolleginnen und Kollegen,

meinen letzten Sommerurlaub verbrachte ich in Dänemark. Auf der  Fahrt auf dem Deck der Fähre genossen Passagiere Sonne, Wind und frische Luft. „Luft“, schrie dann meine Lunge, als eine Wechselböe uns alle in die Abgasschwaden des Schiffsmotors hüllte.

1%  Schwefelgehalt darf Schiffstreibstoff in der Ostsee haben. Zum Vergleich: Für LKW gilt ein Grenzwert von 0,001%. Ich denke ich werde vorläufig keine Schiffsfahrten im Ausland buchen und schon gar nicht als Passagier auf Handelsschiffen, denn dort dürfen sogar 4,5% Schwefel im Treibstoff sein – das hält meine Lunge nicht aus.  

Meine Fraktion  begrüßt, dass die Richtlinie 1999/32/EG die Grenzwerte deutlich absenkt.

Leider folgt in der EU einem guten Vorschlag nicht immer eine gute Umsetzung. So sollte die neue Norm für Schiffskraftstoffe 2006 umgesetzt sein, das schafften zum Termin immerhin 3 Mitgliedsstaaten, gegen 16 Staaten wurde ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet.

Aus Sicht von Bewohnerinnen und Bewohnern der Küste, insbesondere von großen Hafenstädten, von Touristinnen und Touristen und Reisenden ist  dies absolut inakzeptabel. Diese Woche stellte der Naturschutzbund fest, das allein die 15 größten Schiffe der Welt mehr schädliches Schwefeldioxid und Rußpartikel aus dem Schornstein entlassen als alle Fahrzeuge weltweit zusammen. Deshalb sind beispielsweise Fahrverbotszonen für ältere PKW ein Witz, solange Schiffe als Feinstaubschleudern ein Vielfaches an Belastung verursachen.  Aber selbst die Umsetzung der Norm hilft nur, wenn auch kontrolliert wird. Schwefel- und schadstoffarmer Treibstoff ist teurer, also wird dieser nur genutzt, wenn es nicht anders geht – schließlich herrscht Wettbewerb und die Profite müssen wachsen. Im Schnitt wird  1 Schiff von 1000 kontrolliert. Da ist die Angst vor Entdeckung klein.

Also dürfen Anwohnerinnen und Anwohner, Urlauberinnen und Urlauber weiter mit Feinstaub und Schwefeldioxid ihre Gesundheit belasten.  Die Linke fordert deshalb, dass die Erhöhung der Kontrollfrequenz nicht nur diskutiert, sondern umgesetzt wird.

Selbst bei  100% Umsetzung der Richtlinie sind Schiffsabgase noch immer stark gesundheitsgefährdend. Liegen Schiffe im Hafen,  dann laufen schiffseigene Motoren zur Stromversorgung des Schiffes, auch wenn da strengere Grenzwerte gelten, ohne Kontrollen stinkt´s.  Mit einer Pflicht zur externen Stromversorgung könnten zumindest diese Schadstoffe vermieden werden. Wir fordern dies als zusätzlichen nationalen Schritt zur Reduzierung der Schadstoffe in Hafenstädten.

Die Regierungsfraktionen haben überraschend zwei vernünftige Vorschläge zur Änderung der Richtlinie eingebracht. Dass die strengeren Schwefel-Grenzwerte für Schiffstreibstoffe in allen Gewässern der EU gelten sollen, hat die volle Unterstützung unserer Fraktion. Alle EU-Bürgerinnen und -bürger  haben den gleichen Anspruch auf gesunde Luft.

 Wir stimmen auch zu, dass die Bundesregierung Initiativen ergreifen soll, die eine Verkehrsverlagerung vom Schiff auf die Straße verhindern. Doch dass der Seeverkehr über großzügige Ausnahmen bei den Schwefel-Grenzwerten vor Verkehrsverlagerungen geschützt werden wird, wie das die Regierungsfraktionen fordern,  lehnt die Linke ab. Wir registrieren, dass die Grenzwertdiskussion nur als Beispiel in der Beschlussempfehlung steht.  Die Linke würde einer Verlagerung der Transporte vom Schiff auf die Straße mit einer höheren LKW-Maut begegnen. Das wäre ein wirksames Mittel. 

Die Linke fordert die Bundesregierung auf, sich aktiv für weltweit gültige, strenge Schwefelgrenzwerte einzusetzen. Es wird Zeit, dass die Schiffe nicht als preiswerte Müllverbrenner für Raffinerien arbeiten und die Abfälle der Erdölverarbeitung zu Lasten der Luftqualität entsorgen. Alle Frauen, Kinder und Männer unserer Welt haben das gleiche Recht auf Gesundheit.

Da in der Entschließung zur Richtlinie zum Schwefelgehalt richtige Verbesserungen empfohlen werden, leider mit einer falschen Idee gekoppelt, können wir der Entschließung nicht zustimmen. Richtige Richtung, falscher Weg, deshalb enthält sich unsere Fraktion. Wenn die Regierungskoalition mögliche Verlagerungen vom Schiff auf die Straße z.B. mit einer höheren Belastung des LKW-Verkehrs verhindert,  erhält sie unsere Unterstützung. Auch die Anwohnerinnen und Anwohner der überlasteten Straßen würden es Ihnen danken.