Netzausbau

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ohne den maximalen Ausbau der Stromnetze ist die Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien nicht machbar. So tönt es aus fast allen politischen Lagern. Sie behaupten: Wer gegen eine Stromleitung ist, verhindert den Umstieg auf erneuerbare Energien und den Ausstieg aus der Atomkraft.   Ist das so? Wer profitiert eigentlich vom Netzausbau, und wer bezahlt diesen?
Am Bau neuer Stromleitungen verdienen Planungsbüros und Baufirmen. Die Netzbetreiber erhalten für ihr eingesetztes Kapital eine garantierte Verzinsung von 9 Prozent. Das bedeutet: Wenn man mehr Kapital einsetzt und das Netz größer ist, dann gibt es mehr Zinsen. Wo erhält man sonst noch 9 Prozent Zinsen ohne Risiko?
Auch die Betreiber neu zu bauender Kraftwerke profitieren. Sie bauen das Kraftwerk am Ort mit den niedrigsten Stromherstellungskosten. Entstehende Mehrkosten durch den Neubau von Stromtrassen und die Kosten von Leitungsverlusten interessieren sie nicht. Diese Kosten gehören zum Netzbetrieb. Bezahlen müssen den Netzbetrieb und den Netzausbau Firmen, Handwerker und Familien: also der ganz normale Stromkunde.
 
Ein gigantischer Netzausbau belastet Firmen, mindert die Kaufkraft und kostet damit Arbeitsplätze. Deshalb fordert die Linke, dass der Ausbau der Stromnetze effizient erfolgt und nicht der Profiterzielung, sondern nur dem notwendigen Bedarf dient.
 
Der reine Bau von Stromtrassen dauert etwa ein Jahr. Laut Professor Hohmeyer, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen, ist der Atomausstieg ohne zusätzliche Stromleitungen möglich. Das heißt, wir haben die Zeit, das Stromnetz ohne hektischen Aktionismus an die Zukunft mit erneuerbaren Energien anzupassen.
Nachdenken spart Kosten. Dafür ein Beispiel: Gaskraftwerke werden zumindest für die nächsten Jahrzehnte benötigt. Die neue Erdgastrasse durch die Ostsee erreicht beim ehemaligen AKW Nord in Greifswald die Bundesrepublik und führt weiter nach Süden. Jetzt werden in Greifswald neue Gaskraftwerke gebaut, die die vorhandenen Stromtrassen nutzen. Für die geplanten Windparks in der Ostsee sind dann zusätzliche Stromtrassen im Gespräch. Würde man aber die Gaskraftwerke im Süden bauen, wo es den Strombedarf gibt, könnte man die Windparks an die vorhandenen Leitungen anschließen und den Leitungsneubau einsparen.
 
Noch ein anderes Beispiel: In meiner Heimat Thüringen halten der Netzbetreiber 50 Hertz und die Landesregierung stur am Bau einer 380-kV-Leitung über den Thüringer Wald fest. Diese Entscheidungen wurden gegen den Willen der Bevölkerung und mit mangelhafter Transparenz getroffen. Der Bedarf wurde nicht nachgewiesen. Dagegen wehren sich Bürgerinitiativen. Obwohl die Initiativen durch ein Gutachten belegen konnten, dass die Optimierung bestehender Stromleitungen ausreichen und nur 25 Prozent der Kosten eines Neubaus ausmachen würde, werden diese Tatsachen von Ihnen ignoriert. Diesen überflüssigen Netzausbau lehnt die Linke strikt ab. Darum unterstützen wir die Bürgerinitiativen.
Die Netzoptimierung darf nicht zu einer Profitquelle werden. Firmen und Bürgerinnen und Bürger sind keine Melkkühe der Konzerne. Deshalb müssen die Stromnetze Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge sein und der Gesellschaft gehören. Die Linke sagt: Hochspannungsnetze sind zu verstaatlichen, und Verteilungsnetze sind zu kommunalisieren.
 
Stromerzeuger müssen an den Kosten des Stromnetzes beteiligt werden. Damit entsteht ein Anreiz zu dezentraler Stromerzeugung.
 
Stromerzeugung vor Ort spart Stromleitungen, schafft Arbeitsplätze und schwächt die Dominanz der Konzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall.
Die Bürgerinnen und Bürger müssen bei den Planungen von Stromleitungen von Anfang an einbezogen werden und mitreden können, wenn diese durch ihre Region verlaufen. Die Bundesnetzagentur muss im Energiebereich für die Planung und den Bau der Hochspannungsnetze zuständig sein. Die Kontrolle der Energiewirtschaft hat durch eine staatliche Behörde und durch unabhängige Beiräte zu erfolgen. Der Netzausbau ist ein Teil der Umgestaltung der Energiewirtschaft. Auch in anderen Bereichen wie Wind-, Solar- und Bioenergie drohen im Speicherbereich Profitmaximierungen zulasten der Verbraucher. Deshalb fordert die Linke eine staatliche Strompreisaufsicht.
 
Damit verhindern wir, dass die Profite der Strombranche und die Strompreise explodieren, und wir erhalten die Akzeptanz für Strom aus erneuerbaren Energien. Ohne gesellschaftliche Regulierung und gesellschaftliches Eigentum geht es bei der Stromversorgung nicht. Das meint die Linke.