Klimaneutralität sozial verträglich und gerecht gestalten

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Zwei neue Studien sollen aufzeigen, wie die Energiewende gelingen könnte. Beide Studien sind insofern innovativ, als dass sie Fragen beleuchten, die bislang von Wirtschaft und Politik ausgeblendet beziehungsweise umschifft wurden. Die Studie der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) sagt Kosten von bis zu fünf Billionen Euro beim Umbau zum dekarbonisierten Energiesystem voraus. Die andere, von der dena (Deutsche Energie-Agentur) vorgestellt, analysiert, welche Weichen am Markt gestellt werden sollten. Keine der beiden Studien zeigt Wege auf, wie der Umbau des Energiesystems hin zur Klimaneutralität sozial verträglich und gerecht gestaltet werden kann.

Die Bürgerinnen und Bürger befürchten mit der Aussicht auf den großen Umbau zurecht, dass sie die Hauptlast der Kosten tragen sollen, denn bisher wurden politische Weichen stets so gestellt. Bei Meldungen über weiter stark steigende Energiepreise, insbesondere auch für Mobilität, müssen von Wissenschaft und jeder Bundesregierung die Fragen beantwortet werden, wie die Zukunft und das Leben in den ländlichen Räumen aussehen soll, wenn fossile Treib- und Heizstoffe nicht mehr bezahlbar sind.

Was bedeutet es für das weltweite Klima, wenn intakte Infrastrukturen in ländlichen Räumen verfallen und zusätzliche Infrastrukturen in Ballungszentren mit Stahl und Beton errichtet werden müssen? Die Lebensrealität in den dünn besiedelten Regionen sieht anders aus als in großen Städten. Ohne Konzepte, wie Erwerbsmöglichkeiten, Kinder-, Bildungs-, soziale und medizinische Einrichtungen dort erhalten und gestärkt werden, sind die Klimaziele nicht erreichbar. Hinzu kommt: neue E-Pkw brauchen einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur in Stadt und Land – wie soll dieser Ausbau finanziert werden und welche CO2-Emissionen verursacht dieser Ausbau? Diese Fragen müssen geklärt werden, damit auf dem Land die vom Arbeitsmarkt verlangte mobile Flexibilität gewährleistet bleibt, man Ärztinnen und Ärzte sowie Infrastrukturen erreicht.  

Es ist ein Irrglaube, dass ein steigender CO2-Preis das lösen wird. Im Gegenteil. Die Akzeptanz für die notwendige Energie- und Verkehrswende wird immer weiter schwinden. DIE LINKE fordert deshalb seit Jahren, dass Energiepreise sozial gestaltet werden, dass Energie bezahlbar bleibt und die Lasten gerecht verteilt werden. Ein Abwälzen der Mehrkosten der Energiewende auf sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten lehnen wir ab. Industrie und Wirtschaft haben mit fossiler Energie über Jahrzehnte großen Profit gemacht. Sie mehr in die Verantwortung zu ziehen, ist notwendig und zumutbar. Das Märchen vom gefährdeten Wirtschaftsstandort zieht nicht. Denn wenn Kaufkraft permanent sinkt und Löhne und Gehälter nicht angepasst werden, wird durch soziale Spannungen und mangelnde Kaufkraft später auch kein Wirtschaftsstandort mehr stabil sein. So oder so: die Energiewende birgt großes Potenzial, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen und strukturelle Fehler des freien Marktes zu überwinden. Mit dem Stärken von regionalen Wirtschaftskreisläufen vermindert sich der Verkehr, insbesondere überflüssige Gütertransporte. Das ist gut fürs Klima und für die Regionen. 

Fünf Billionen Euro, so viel kostet laut KfW die Energiewende. Das klingt viel, relativiert sich aber, wenn man weiß, dass zwei Drittel davon durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen eingespart werden können. Der Rest ist ein kleiner Teil des Bruttoinlandproduktes, gestreckt über viele Jahre. Außerdem spart sich die Gesellschaft die kostspielige Erneuerung der inzwischen 40- bis 60-jährigen konventionellen Kraftwerke. Damit in die richtigen Maßnahmen investiert wird, muss die öffentliche Hand mehr Verantwortung übernehmen. Der Begriff „öffentliche Daseinsfürsorge“ muss in den Vordergrund rücken: Pauschalen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, Subventionen in die Bahn – auch deren Preise müssen sinken statt steigen –, Sockelfreibeträge beim Stromverbrauch, sodass sich jeder Mensch ein Mindestmaß an Energieverbrauch leisten kann, Änderung der Abgabensystematik, damit Industriebetriebe ihren Energieverbrauch der Erzeugung anpassen können – solche Maßnahmen müssen nach Ansicht der LINKEN deutlich mehr in die Analysen von  Studien einfließen. Denn eines ist gewiss, der ungezügelte Markt kann es nicht richten. 

Positiv zum Abschluss ist festzustellen: die dena stellt mit ihren Überlegungen zum Energiesystem endlich die längst überfällige Betrachtung des gesamten Energie-Systems, also nicht nur des Stromsektors, an. In den Bereichen Verkehr und Wärme, Gebäuden und Industrie liegen die Haupttreiber des Treibhausgasausstoßes. Dass hierbei endlich auch die Frage der Dunkelflaute in die Betrachtung eingeht, ist Verdienst der LINKEN Beteiligung im Beirat der dena. Viel konnten wir dort nicht bewegen, aber zumindest für mehr Sachlichkeit sorgen und dass endlich auch unangenehme technische Details der Energiewende mehr Beachtung erfuhren.