Höhere Abwassergebühren für die Umwelt?

Ralph Lenkert

Sehr geehrter Herr Präsident, geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Proben aus unseren Flüssen erschrecken Fachleute, immer mehr Reste von Arzneimitteln, Kontrastmitteln und Hormonpräparaten finden sich im Wasser. Das Umweltbundesamt stellte fest, einer unserer beliebtesten Speisefische, der Zander, hat Probleme. Den Zanderfamilien gehen die Männer aus, es gibt nur noch halb so viele Kerle wie üblich und nötig. Damit die Zanderpopulation  überleben kann, braucht es wieder mehr Männer unter der Wasseroberfläche.  Der Zander ist nur ein Beispiel. Viele Tierarten leiden unter den Abfällen der Wirtschaft und in diesem Fall unserer Gesundheitswirtschaft. Die Naturfreunde und Umweltschützer in EU und UBA haben auch sofort die passende technische Lösung parat. Die vierte Reinigungsstufe für Klärwerke muss her. Anfangen will man in den Großstädten und dann das Problem Klärwerk für Klärwerk abarbeiten.Die Projektbüros frohlocken, die Bauindustrie reibt sich die Hände und die Klärwerkslobby träumt von neuen Rekorden. Zwischen zwei und drei Euro Mehrkosten je Kubikmeter Abwasser würden entstehen, schätzte man im Schweriner Umweltministerium. Ich will das mal für eine Thüringerin hochrechnen. Also wir brauchen im Thüringer Durchschnitt etwa 80 Liter Wasser am Tag. Das sind bei  365 Tagen im Jahr 29.200 Liter oder  29 m³. Da wir Politiker uns bei Preisen, wie z. B. bei Stuttgart21, eher zu niedrig orientieren, rechne ich mit 3 Euro weiter. 29 Kubikmeter mal 3 Euro/ Kubikmeter sind 87 Euro Mehrkosten im Jahr.  Für uns 2,4 Millionen Thüringerinnen und Thüringer ergibt das ein zusätzliches jährliches Geschäftsvolumen von 210 Millionen Euro allein in Thüringen. Wer soll dass bezahlen?  Die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen im Freistaat? Schon jetzt zahlt die Thüringer Landesregierung jährlich über 73 Millionen Euro, damit die Kostenexplosion bei Abwassergebühren und Beiträgen, durch die 2. und 3. Reinigungsstufe und zentralisierte Abwasserbehandlung ausgelöst, sozialverträglich abgemildert  wird. Vor dem Thüringer Verfassungsgericht liegt der Antrag eines Volksbegehrens, von mehr als 25.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern getragen, der sich gegen überhöhte Kommunalabgaben richtet, auch und insbesondere beim Abwasser. Wer in dieser Situation eine weitere Gebührenerhöhung auslöst, gefährdet den sozialen Frieden unserer Republik und im Übrigen auch seine eigene Wiederwahl.Was tun? Die Umwelt schreit nach Hilfe und viele Bürgerinnen und Bürger können diese nicht mehr schultern. Keine Medikamente sind auch keine Lösung. DIE LINKE hat deshalb ein Konzept ausgearbeitet, wie es gelingen könnte, die Flüsse vom Medikamentencocktail zu entlasten, ohne dass der Abwasserpreis explodiert. Heute sprechen wir über unseren Antrag im Bundestag, der die Bundesebene umfasst, und meine Kolleginnen und Kollegen werden ergänzende Anträge auf Länderebene einbringen. Die Langzeitwirkungen von Arzneimitteln in Gewässern müssen besser bekannt werden, die Wirkung ihrer Substanzen und  Zerfallsprodukte auf Tiere und Pflanzen müssen wir kennen. Deshalb fordern wir, dass die Bundesregierung dies  zum Bestandteil der Zulassung von Medikamenten auf der EU-Ebene macht. Auch national muss die Überwachung und Untersuchung der Verbreitung und Wirkung von Medikamenten in der Umwelt entsprechend des geschätzten Gefahrenpotentials erfolgen.         Als Ziel wollen wir erreichen, dass  Wirkstoffe und Medikamente, welche keinen medizinischen Extranutzen im Vergleich zu anderen Mitteln haben, aber die Umwelt stärker belasten als andere, wirkungsgleiche Medikamente, die Zulassung verlieren.  Das ist ein Schritt, der langfristig für Entlastung in den Gewässern sorgen wird.Bis zur Änderung der Verpackungsverordnung im Jahr 2009 gab es ein herstellerfinanziertes  Rücknahmesystem für Altarzneimittel. Dies wurde abgeschafft. Wohin also mit den Medikamenten, die übrig sind oder deren Haltbarkeitsdatum abgelaufen is? Dies fragen sich viele, wenn die Apotheke deren Annahme verweigert. Einige werfen Altarzneimittel in den Hausmüll – dies ist meistens richtig. Aber einige fabrizieren Mülltrennung, die Verpackungen zu Verpackungen und  die Tabletten, die Tropfen, ab in den Ausguss. Unendlich viele Punkte stehen auf den Beipackzetteln, aber der Entsorgungsweg von Resten fehlt zumeist. Eine gesetzliche Verpflichtung für ein erneutes herstellerfinanziertes Rücknahmesystem, das 2015 funktioniert, und eine Verpflichtung, dass der Entsorgungsweg auf der Verpackung und auf dem Beipackzettel steht, wäre ein erster, zwar kleiner, aber schneller Schritt, um einen Teil der Arzneimittelfracht aus dem Wasser zu bekommen. Auf der Länderebene fordert DIE LINKE eine gezielte Vorreinigung oder getrennte Erfassung und Entsorgung der besonders mit Arzneimitteln belasteter Abwässer z. B. aus Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Das reduziert die Mengen des zu reinigenden Abwassers und erleichtert wegen der höheren Konzentration von Schadstoffen die Klärtechnik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Mann, Vater und Liebhaber von gebratenem Zanderfilet habe ich Angst. Angst, dass wir uns über dass Essen selbst vergiften, Angst, dass die Männer, wie die Zander, zeugungsunfähig werden und ich vielleicht keine Enkel erlebe. Und als Vater und Bürger habe ich Angst, dass für viele Mitbürger das Leben unbezahlbar wird und es deshalb zu sozialen Unruhen mit unabsehbaren Folgen kommt. Deshalb bitte ich Sie, folgen Sie unseren Vorschlägen, notfalls kopieren Sie diese. Wir stellen diese Vorschläge nicht unter das Urheberrecht. Helfen Sie bitte mit, damit sich die Zanderfamilien gesund in sauberem Wasser vermehren und sich  alle die Abwassergebühren leisten können. Damit wir ohne den Wahnsinn einer 4. Reinigungsstufe in kommunalen Klärwerken die Umwelt und unsere Gesundheit schützen und ich ohne Angst und Gewissensbisse Zander genießen  kann.