Forschung für eine Humanisierung der Arbeitswelt

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Es geschehen Wunder bei der Großen Koalition. Ihr Antrag „Innovative Arbeitsforschung für eine Humanisierung unserer Arbeitswelt und mehr Beschäftigung“ benennt richtige und notwendige Schwerpunkte für die Forschung im Bereich Arbeit und Beschäftigung.

Sie folgen damit endlich den Vorschlägen der Linksfraktion, die beispielsweise in dem Antrag „Soziale Innovationen und Dienstleistungen erforschen und fördern“ und in dem Antrag „Europäische Forschungsförderung in den Dienst der sozialen und ökologischen Erneuerung stellen“ eingebracht wurden. Opposition wirkt also.

Hut ab! Nach dem Motto: „Überholen ohne Einzuholen“, gehen Sie in Ihrem Antrag weiter, als ich es Ihnen je zugetraut hätte. Dass Sie von der Union über Ihren Schatten springen und sogar die Frage, wie Mitbestimmung bei Heimarbeit und Industrie 4.0 erfolgen soll, als Forschungsthema benennen, überrascht. Endlich auch eine Bestandsaufnahme zu starten, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die Arbeitswelt und verschiedene Berufe und Branchen haben wird, was längst überfällig war, findet unsere Fraktion auch gut.

Allerdings vergessen Sie einen Bereich der Arbeitswelt nach wie vor völlig. Zu einem innovativen und menschlichen Standort gehört eben auch eine innovative und menschliche Verwaltung. Forschungsvorhaben bezüglich der Frage, wie die Digitalisierung in Behörden und in der Verwaltung effizient, mitarbeiter- und bürgerfreundlich umgesetzt werden kann, fehlen völlig, und auch die Forschung darüber, wie sich die Digitalisierung auf die Arbeitsbedingungen, die Mitbestimmung und die Arbeitsabläufe in Ämtern und Ministerien auswirkt, haben Sie schlichtweg vergessen.

Betrachte ich also diesen Antrag für sich allein, könnte ich jetzt die Rede mit einem „Befriedigend“ und dem Hinweis zur Überarbeitung zum öffentlichen Sektor beenden. Aber es reicht leider nicht, die richtigen Fragen zu stellen, und es reicht auch nicht, nur die richtigen Forschungen in Auftrag zu geben. Entscheidend ist, wie die Ergebnisse der Forschung dann in Form von Taten umgesetzt werden. Da versagt diese Koalition komplett.

So ist der Wissenschaft längst bekannt, dass Armut zu Konflikten, zu Krieg, Vertreibung und Flucht führt. Was macht diese Bundesregierung? Sie ignoriert das und verfehlt das Ziel, 0,7 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt für Entwicklungshilfe bereitzustellen - seit Jahren -, konstant und klar mit 0,4 Prozentpunkten. Damit verursacht diese Regierung letztlich weitere Flüchtlingsbewegungen.

Aus der Friedensforschung ist längst bekannt, dass Diskriminierung zu schweren Konflikten führt. Trotzdem schweigt diese Regierung zur Diskriminierung der Kurden in der Türkei. Es ist schon erstaunlich, wie sich die Koalition hier feiert und gleichzeitig die Ergebnisse ihrer Forschung locker ignoriert.

Schauen wir auf das Thema Arbeit und Bildung. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und das Bundesinstitut für Berufsbildung ermittelten, dass häufige Wochenendarbeit körperlich und emotional stärker erschöpft, zu höherem Stresslevel und Schlafstörungen führt und damit Gesundheitsrisiken wie Herzinfarkte und Depressionen steigen. Doch statt Wochenendarbeit einzuschränken, fordert die Union in meinem Heimatland Thüringen, das Gesetz, welches Beschäftigten im Einzelhandel zwei freie Samstage je Monat garantiert, wieder abzuschaffen. So ignoriert die Union die Ergebnisse der Wissenschaft. Aber unsere linke Landesregierung wird den Beschäftigten das Recht auf freie Samstage erhalten, denn wir berücksichtigen in unserem Handeln die Forschungsresultate zum Wohle der Menschen.

Ein zweites Beispiel. Seit Jahren stapeln sich die Belege, dass das Kooperationsverbot im Bildungsbereich, also das Verbot, dass der Bund Gelder für Bildung an die Länder zahlt, für unseren Nachwuchs schädlich ist. Trotzdem hat die Koalition dieses Verbot nur im Hochschulbereich aufgehoben. Warum Sie erneut Erkenntnisse ignorieren, müssen Sie einmal nachvollziehbar erklären. Wir Linke sind für die Aufhebung des Kooperationsverbotes in allen Bildungsbereichen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, den Antrag werden wir im Ausschuss wohlwollend begleiten. Sie können sich auf die starke Opposition verlassen. Wir werden Sie an Ihre Vorhaben erinnern und zur Umsetzung der Forschungsergebnisse treiben.

Vielen Dank.