„Erkennen, wo der braune Ungeist tobt“

Ralph Lenkert

Podium der Linken stellt NSU-Ausschussarbeit vor – Erneut Abschaffung des Verfassungsschutzes gefordert

Jena. Das Bedürfnis nach Antworten im Fall der NSU-Mordserie steigt – auch in Jena. Das hat die große Resonanz bei der Podiumsdiskussion „Brauner Terror – Blinder Staat“ am Dienstagabend  gezeigt. Der Hörsaal 5 am Ernst-Abbe-Campus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Denn der Einladung des Jenaer Bundestagsabgeordneten Ralph Lenkert waren die NSU-Ausschussexperten und Linke-Abgeordneten Jens Petermann und Katharina König gefolgt. 

Wer eine hitzige Debatte erwartete, sollte enttäuscht werden. Die Anmerkungen aus dem Publikum zeugten von Fassungslosigkeit, Kopfschütteln und Unverständnis. Und immer wieder dieselben Fragen: Wie konnte das geschehen? Wer trägt die Schuld?

„Soweit, dass wir Antworten geben können, sind wir noch nicht. Haltet die Fragen fest und hört nicht auf, kritisch zu sein“, mahnt Katharina König. Mühelos zog die Thüringer Landtagsabgeordnete einen Bogen von den Anfängen des Terror-Trios in den Neunzigern über dessen Unterstützung durch die Neonazi-Szene bis hin zu jenem 8. November 2011, als die Mordserie an die Öffentlichkeit kam. Schnell wird klar: das Ausmaß dieses Rechtsterrors ist noch lange nicht erfasst.  Zu viele Lücken in der Dokumentation, noch mehr unter dem Deckmantel des Staatsgeheimnisses verborgen. 

„Wir haben ein strukturelles Problem in Deutschland. Unsere Sicherheitsbeamten erkennen nicht, wann sie einer rechtsextrem motivierten Straftat gegenüberstehen“, sagt Jens Petermann. Die Arbeit im NSU-Bundestagsausschuss ist für ihn vorerst beendet. Ob es nach der Bundestagswahl damit weitergehen wird, steht in den Sternen. Klar ist aber – und das habe die Ausschussarbeit zu Tage befördert – das Versagen scheint multilateral.

So vertrat der Linken-Politiker am Dienstag gleich mehrere Thesen, an denen auch im Publikum kaum einer zweifeln wollte. „Ich glaube, dass der Rechtsstaat und die Medien versagt haben. Dass die militante Naziszene unterschätzt wurde. Die Ermittlungen der Behörden trugen durchweg rassistische Züge, haben Angehörige der Opfer zu Tätern gemacht.“ Damit müsse Schluss sein. Und so forderte Jens Petermann erneut die Auflösung des Verfassungsschutzes: „Die deutschen Geheimdienste führen ein Eigenleben, sind nicht kontrollierbar und auch nicht reformierbar.“ Es könne nicht angehen, dass diese Mordserie unter Verschluss gehalten wurde, allein, weil sie nicht ins deutsche Saubermann-Image passe. 

Der Abschlussbericht des NSU-Bundestagsausschusses wird nun weiteres Licht ins Dunkel bringen. „Ich gehe davon aus, dass es weitere Ermittlungen und Anklagen im NSU-Prozess geben wird. Der Generalbundesanwalt arbeitet bereits daran“, sagt Jens Petermann.

Noch im vergangenen Jahr hatte die Bundeskanzlerin restlose Aufklärung versprochen. „Bei diesem Versprechen wird es wohl bleiben. Wir dürfen unsere Erwartungen nicht zu hoch schrauben, wenn wir 50 Prozent aufklären, dann ist das gut“, sagt Katharina König. Stattdessen forderte die Landtagsabgeordnete dazu auf, die Verantwortung nicht an die Behörden und die Politiker abzuschieben. Das Umdenken müsse endlich aus der Tiefe der Gesellschaft kommen. „Wir müssen weiter aufklären. Vor allem dürfen wir unseren Kindern die historische Wahrheit über das Dritte Reich nicht länger verschweigen“, fügt sie hinzu. Und trifft damit den Nerv des Publikums.

Und so förderte die Podiumsdiskussion mit dem Schlusswort ihres Parteikollegen Ralph Lenkert eine altbewährte Erkenntnis zutage: „ Bildung hilft! Nur wer denken kann, kann erkennen, wo der braune Ungeist tobt.“