Datenschutz und Nachhaltigkeit findet beim Geodatenzugangsgesetz keine Beachtung

Ralph Lenkert

Rede im Bundestag am 24.05.2012 zu TOP 22

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Geodatenzugangsgesetzes, Drucksache 17/9686

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Big Brother is watching you.  Das ist die einzig erkennbare Zielsetzung der Änderung am Geodatenzugangsgesetz. 

Die Richtlinie 2007/2/EG der Europäischen Union verlangt eine Vernetzung von Geodaten über die Grenzen der Einzelstaaten hinweg. Die Behörden sollen die Daten untereinander austauschen können. Zu Grunde liegen Datenformate, die eine maschinelle Verarbeitung ermöglichen und damit eine bessere gemeinsame Umweltpolitik und Abstimmung in anderen Bereichen ermöglichen.
Aber um welche Daten handelt es sich und wer soll darauf Zugriff haben?

Klar, wie der Name es sagt, es geht um geologische Daten, wie ist der Boden, welche Gesteine oder Rohstoffe sind bekannt, welche Flora und Fauna ist vorhanden, welche Bebauung, Straßen, Grundstücksgrenzen, aber auch die Adressen mit Straßen und Hausnummer.  Unter Geodaten aber werden auch Informationen zu Krankheiten, Allergien, Krebsfällen, sozialen Aspekten, Kriminalität erfasst.  Dies alles erfolgt bereits unter dem jetzigen Gesetz.

Wenn also Max Mustermann an einer meldepflichtigen Krankheit leidet, dann kann dies sein Finanzamt, das Gesundheitsamt, aber auch die EU-Kommission in Brüssel mit wenigen Mausklicken erfahren. Datenschutz  ist hier Fehlanzeige.  Bei der Verabschiedung des Gesetzes hat die FDP, damals in der Opposition, folgerichtig einen Vorschlag zur Verbesserung des Datenschutzes der persönlichen Daten eingebracht, den die Linke unterstützte. Leider ignorierte die damalige Regierung den Vorschlag.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Geodatenzugangsgesetzes geht jetzt weit über die Richtlinie hinaus. Während im aktuellen Gesetz , die Daten entsprechend der Richtlinie nur unter europäischen Behörden austauschbar und verfügbar sind , sollen zukünftig nach der Novellierung die Daten jedem Interessenten ohne eine Angabe von Gründen zur Verfügung stehen. Das schafft einige Chancen, aber es ergeben sich aus dieser allgemeinen Verfügbarkeit der Daten auch massive Probleme.

Zum einen wird das Auffinden von Bodenschätzen jetzt erheblich vereinfacht. Eine erste Suche kann  am grünen Tisch erfolgen. Es wird einen Run auf Sucherlaubnisse geben, aber dafür ist das deutsche Bergrecht nicht ausgelegt. Es fehlen beispielsweise notwendige Bremsen wie der Nachweis der Abbaunotwendigkeiten, ein effektiver Umweltschutz und die Berücksichtigung der Bevölkerungsinteressen. Dieser Mangel ließe sich beheben, würde das von der Fraktion die Linke vorgeschlagene neue Bergrecht eingeführt.

Auch für Bauherren, Umweltschützer und Städteplaner zeichnen sich Vorteile ab.
Aber wo bleibt das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung der Bürger – es wird weggewischt.

Über Max Mustermanns Krankheit kann sich nun sein Versicherungsvertreter für die Kranken- oder Lebensversicherung informieren, damit steigt seine Prämie oder er kriegt gar keinen Vertrag. Oder er will einen neuen Job antreten  - oh, er ist krank! - ein anderer Bewerber gewinnt. Auch Maxes Nachbar leidet, er wird das Haus nur mit Preisabschlägen los.

Kriminalität, Sozialstrukturen u.s.w. kann sich jeder adressengenau besorgen. Damit wird jeder von uns, jede Bürgerin und jeder Bürger, zum Bestandteil einer Truman-Show.
Das lehnt DIE LINKE strikt ab. Wir fordern, dass alle persönlich zuordenbaren Daten, dass Daten, die zur Stigmatisierung von Menschen beitragen können, nichtöffentlich bleiben.

Damit die Bundesregierung zukünftig ohne Einsprüche aus dem Parlament und dem Bundesrat die Zugriffsrechte im Alleingang regeln kann, lässt sie sich noch eine Verordnungsermächtigung ins Gesetz schreiben. Damit wird jede Entscheidung um den Umgang mit all diesen Informationen der demokratischen Kontrolle entzogen.

Das lehnt meine Fraktion entschieden ab und ich hoffe, geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass Sie  zumindest diese Selbstentmachtung  des Bundestages, diesen Angriff auf unsere Demokratie ablehnen.

Ansonsten bliebe mir nur eines zu sagen: Big Brother is watching us.