Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz

Drucksache: 19/20058

Votum der LINKEN: Enthaltung

 

Inhalt des Gesetzes:

Der Gesetzentwurf enthält insgesamt 14 Maßnahmen, mit denen insbesondere die dringlichen steuerlichen Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket der Koalition vom 3.6.2020 umgesetzt werden sollen.

Umsetzung weiterer Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket erfolgt durch:

Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020 (19/20000), GE über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets (19/20057) sowie nach Sommerpause (z. B. Kfz-Steuer-Reform, Übernahme von Hartz-IV-Unterbringungskosten durch Bund).

Mindereinnahmen GE (volle Jahreswirkung): Insgesamt -28,5/ Bund -13,9/ Länder -12,3/ Gemeinden -2,4 Mrd. EUR/Jahr.

Maßnahmen

  • Absenkung der Umsatzsteuersätze, befristet vom 1.7.-31.12.20 von 19 auf 16 % und von 7 auf 5 %. Mindereinnahmen: Insgesamt -19.600/ Bund -10.351/ Länder -8.857/ Gemeinden -392 Mio. EUR/Jahr.
  • Kinderbonus 2020 (einmalig) von 300 EUR je kindergeldberechtigtem Kind. Mindereinnahmen: Insgesamt -4.345/ Bund -1.847/ Länder -1.846/ Gemeinden -652 Mio. EUR/Jahr.
  • Einführung einer optionalen degressiven Abschreibung für Investitionsgüter (ohne Immobilien) temporär für die Jahre 2020 und 2021. Mindereinnahmen: Insgesamt -2.610/ Bund -816/ Länder -746/ Gemeinden -1.048 Mio. EUR/Jahr.
  • Forschungszulage, Erhöhung der maximalen Bemessungsgrundlage von 2 Mio. EUR auf 4 Mio. EUR (= max. 1 Mio. EUR/Jahr) pro Unternehmen, rückwirkend zum 1.1.2020 und befristet bis zum 31.12.2025. Mindereinnahmen: Insgesamt -565/ Bund -273/ Länder -271/ Gemeinden -21 Mio. EUR/Jahr.
  • Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag, temporäre Anhebung von 1.908 auf 4.008 EUR/Jahr für die Jahre 2020, 2021. Mindereinnahmen: Insgesamt -490/ Bund -220/ Länder -199/ Gemeinden -71 Mio. EUR/Jahr.
  • Verlustrücktrag, temporäre betragliche Ausweitung von derzeit maximal 1 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR (Zusammenveranlagung) auf maximal 5 Mio. EUR bzw. 10 Mio. EUR für die Jahre 2020 und 2021. Mindereinnahmen: Insgesamt -450/ Bund -231/ Länder -206/ Gemeinden –13 Mio. EUR/Jahr.
  • Höhere Anrechnung von Gewerbesteuerzahlungen bei der Einkommensteuer (dauerhaft). Mindereinnahmen: Insgesamt -335/ Bund -151/ Länder -136/ Gemeinden -48 Mio. EUR/Jahr.
  • Gewerbesteuer, dauerhafte Anhebung des Freibetrags für Hinzurechnungstatbestände. Mindereinnahmen: Insgesamt -95/ Bund +8/ Länder +6/ Gemeinden -109 Mio. EUR/Jahr.
  • Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen ohne CO2-Emissionen: dauerhafte Anhebung des Anschaffungshöchstbetrags von 40.000 auf 60.000 EUR. Mindereinnahmen: Insgesamt -10/ Bund -4/ Länder -4/ Gemeinden -2 Mio. EUR/Jahr.
  • Drei Fristverlängerungen: Einfuhrumsatzsteuer, Reinvestitionen, Investitionsabzugsbeträge.
  •  Änderung des Finanzausgleichgesetzes: Änderung der Umsatzsteuerverteilung zu Lasten von Bund, zugunsten der Länder. 
  • Dauerhafte Verschärfung steuerstrafrechtlicher Vorschriften (insb. für Cum-Ex-Fälle): 1) Ausdehnung der strafrechtlichen Einziehung (Vermögensabschöpfung) auf nach steuerlichen Vorschriften verjährte Steuerbeträge. 2) Ruhen (maximal 5 Jahre) der strafrechtlichen Verjährung bei Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen nach Eröffnung des Hauptverfahrens beim Landgericht. 3) Erweiterung der absoluten Verfolgungsverjährung von zwanzig auf fünfundzwanzig Jahre in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung.

 

Anmerkungen:

TEMPORÄRE SENKUNG DER UMSATZSTEUER

1. Die 2007 in Kraft getretene Umsatzsteuererhöhung von 16 auf 19 % hat DIE LINKE stets abgelehnt (regressive Wirkung: niedrige und mittlere Einkommen werden im Verhältnis stärker belastet, weil sie eine hohe Konsumquote haben). Die nun geplante Umsatzsteuersenkung wäre überwiegend positiv zu bewerten, wenn davon gerade untere und mittlere Einkommen profitieren könnten. „Könnten“ deshalb, weil:

2. Es besteht kein Automatismus zur vollständigen Weitergabe der Umsatzsteuersenkung an Verbraucher/innen, und damit gehen unklare konjunkturelle Wirkungen einher: Es gibt keine festgeschriebene Regelung, nach der Unternehmen eine Umsatzsteuersenkung über Preisreduzierungen weitergeben müssen. Es könnte z. B. auch nur ein Teil der Umsatzsteuersenkung weitergegeben werden. Der andere Teil diente dann der Gewinnmargenerhöhung der Unternehmen. Viele Ökonomen verweisen deshalb auf Unwägbarkeiten hinsichtlich der konjunkturellen Wirkungen von Umsatzsteuersenkungen, manche sprechen von einem Strohfeuereffekt.

3. Deswegen stellt eine Wiederanhebung der Umsatzsteuersätze nach einem halben Jahr ein Problem dar: Gemäß einer empirischen Studie kommen nur ca. 15 % einer Umsatzsteuerreduktion durch niedrigere Preise bei Verbraucher/innen an. Im gegenteiligen Fall einer Anhebung des Umsatzsteuersatzes wurde diese in der Regel vollständig in die Preise überwälzt, was verteilungsmäßig somit vor allem niedrigere, aber auch mittlere Einkommen belasten würde. Es ist also die asymmetrische Wirkung von Umsatzsteuersenkungen und -anhebungen zu beachten. Durch die temporären Umsatzsteuersenkungen werden möglicherweise Vorzieh- oder Verschiebeeffekte eintreten. Durch die Vorzieheffekte droht insbesondere bei dauerhaften Konsumgütern zu Beginn des Jahres 2021 ein Nachfrageloch. Deswegen sind wir gegen die Wiederanhebung der Umsatzsteuersätze zum 01.01.2021, um einen Nachfrageschock sowie einen potenziellen außergewöhnlichen Inflationsanstieg in 2021 zu vermeiden.

4. Alles in allem ist an der Umsatzsteuersenkung ihre mangelnde Zielgenauigkeit zu kritisieren: Von dieser Gießkannen-Politik profitiert zuvorderst, wer als Unternehmen viel Umsatz macht, weil die Möglichkeit der Gewinnspannenerhöhung besteht. Wer zudem eine große Marktmacht hat, z.B. Amazon im Online-Handel, verspürt wenig Druck, die Senkungen in niedrigere Preise weiterzureichen.

Deshalb ist DIE LINKE grundsätzlich eher für direkte Zuschüsse und damit eine gezielte Stützung von Einkommen und Nachfrage, etwa durch mehr Hilfen für Selbstständige, eine Verstetigung des Kinderbonus, höheres Kurzarbeitergeld oder eine bessere Entlohnung in der Pflege. Schließlich ist die Umsatzsteuerabsenkung auch ökologisch nicht zielgenau, wenn beispielsweise teures Benzin oder Fahrzeuge unabhängig von ihrem Antrieb vergünstigt werden sollen („Abwrackprämie durch die Hintertür“).

ÄNDERUNG DER UMSATZSTEUERVERTEILUNG + Umdruck Nr. 7

Länder und Kommunen sollen nicht durch die geplante Senkung der Umsatzsteuer belastet werden. Daher sollte der Bund gemäß ursprünglichem Gesetzentwurf aus der vertikalen Umsatzsteuerverteilung 6 Mrd. Euro weniger erhalten, die dafür auf die Konten der Länder fließen (und hoffentlich an die Kommunen weitergereicht werden). Von Bundesrat und u.a. DGB wurde kritisiert, dass der starre Betrag von 6 Mrd. Euro nicht ausreiche. Recht schnell legte in der Folge die Koalition einen Umdruck vor, mit dem bereits in 2020 auch die vollständige Bundesübernahme des Länder- und Gemeindeanteils an den Mehrbelastungen des Kinderbonus abgedeckt wird. Die Steuermindereinnahmen des Bundes würden sich nunmehr auf gut 8,6 Mrd. anstelle von 6 Mrd. Euro belaufen.

Der Ansatz ist zu begrüßen, auch wenn die Haushalte der Kommunen vollständig von einer Belastung durch Umsatzsteuersenkungen und vom Bund initiierte Corona-Hilfsmaßnahmen befreit werden sollten (vgl. Schutzschirm-Antrag BT-Drs. 19/18694): strikte Einhaltung Konnexitätsprinzip, Nachsorge-Plan). Offen bleibt, wie Kommunen an diesen Stellen in 2021 weiterhin entlastet werden sollen. Etwas mehr Weitblick täte der Bundesregierung hier gut. Nichtsdestotrotz kann man dem Umdruck und damit der Regelung im FAG zustimmen.

KINDERBONUS 2020 (einmalig)

Positiv ist die vorgesehene Verrechnung mit den Freibeträgen für Kinder (a la Kindergeld) und die Nichtanrechnung auf die Grundsicherung. Folge: Nur Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen werden unterstützt.

Negativ: 1. Nur einmalige Gewährung für 2020. 2. Ungünstige Wirkung für Alleinerziehende, da bei diesen die Hälfte des Kinderbonus mit dem Kindesunterhalt zu verrechnen wäre.

Ansonsten weit unter der Forderung der LINKEN (unabhängig von Corona) nach Anhebung Kindergeld auf 328 EUR pro Kind und Monat (Einmalzahlung von 300 EUR führt zu Kindergeld von 229 EUR pro Monat für 1./2. Kind im Jahr 2020), aber immerhin ein Schritt in die richtige Richtung.

ENTLASTUNGSBETRAG FÜR ALLEINERZIEHENDE, TEMPORÄRE ANHEBUNG

Dem Schein nach großzügig, de facto für die Mehrheit der Alleinerziehenden mit keiner oder allenfalls geringer Wirkung. Denn die Meisten verfügen über ein zu geringes Einkommen, als dass sie die Anhebung (vollständig) nutzen könnten.

OPTIONALE DEGRESSIVE ABSCHREIBUNG (TEMPORÄR)

Positiv: Zeitlich begrenzte Wiedereinführung ist geeignet, um nach der Corona-Krise Unternehmen zu einer verstärkten Investitionstätigkeit anzuregen. Kann darüber hinaus bereits im laufenden Jahr zur Minderung der Steuervorauszahlungen genutzt werden.

STEUERLICHER VERLUSTRÜCKTRAG, TEMPORÄRE AUSWEITUNG

Nutzt in erster Linie großen Unternehmen und Konzernen, da nur diese entsprechend hohe Gewinne erzielen können. Gerade die Selbständigen und Unternehmen, die aufgrund niedriger Gewinne, am meisten einer Unterstützung bedürfen, werden dagegen von der Maßnahme kaum erreicht. Vorgesehene vorzeitige Nutzung bereits für Steuererklärung 2019 ist sinnvoll, da nur so die Ausweitung des Verlustrücktrag auch als Liquiditätssoforthilfe wirken kann.

HÖHERE GEWERBESTEUERANRECHNUNG BEI DER EINKOMMENSTEUER (DAUERHAFT)

Grundsätzlich angesichts der in den letzten Jahren im Schnitt gestiegenen kommunalen Hebesätze sinnvoll.

GEWERBESTEUER, ANHEBUNG FREIBETRAG FÜR HINZURECHNUNGEN (DAUERHAFT)

Belastet einseitig die Kommunen, insbesondere da die Mindereinnahmen künftig in jedem Jahr anfallen. Kein Zusammenhang mit Corona-Krise, da auf Dauer angelegte Neuregelung; somit Steuergeschenk für die Wirtschaft.

TEMPORÄRE ERHÖHUNG DER STEUERLICHEN FORSCHUNGSZULAGE + Umdruck Nr. 6

Die Forschungszulage wurde von der Fraktion DIE LINKE abgelehnt, da sie im Vergleich zur direkten Forschungsförderung ineffektiv und ineffizient ist: Verschwendung von Steuergeldern (Gießkanne, Mitnahmeeffekte, Dauersubvention); geringe Förderwirkung auf private FuE-Tätigkeiten; untauglich für gezielte Förderung; verdrängt die wesentlich zielgenauere und fiskalische günstigere direkte Förderung; ungeeignet für KMU.

BESTEUERUNG DER PRIVATEN NUTZUNG VON DIENSTWAGEN OHNE CO2- EMISSIONEN: ANHEBUNG HÖCHSTBETRAG (DAUERHAFT)

Die Fraktion DIE LINKE hat die Ende 2019 beschlossene Ausweitung der Begünstigung für reine E-Fahrzeuge zwar nicht grundsätzlich abgelehnt, aber dennoch kritisiert (siehe EA zum GE zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität... vom 6.11.2019, 19/14885):

  • Einseitige Fokussierung auf Förderung der E-Mobilität (statt ÖV und Fahrrad),
  • Beitrag der E-Automobilität zum Klimaschutz ist umstritten, u. a. wegen: enormer Energieaufwand in der Herstellung (v. a. Batterien); Betrieb mit Strom aus fossilen oder atomaren Energieträgern; energieineffiziente Fahrzeuge in der Praxis(Größe, Gewicht, Karosserieform). Forderung LINKE: Förderung binden an die bestimmte Mindesteffizienzkriterien beim Energieverbrauch.

FRISTENVERLÄNGERUNGEN: EINFUHRUMSATZSTEUER, REINVESTITIONEN, INVESTIONSABZUGSBETRAG

Sinnvolle Maßnahmen, da temporäre Entlastung (Einfuhrumsatzsteuer) oder Verminderung von coronabedingten Investitionsausfällen.

VERSCHÄRFUNG STEUERSTRAFRECHTLICHER VORSCHRIFTEN (DAUERHAFT) – „CUM/EX“ + Umdruck Nr. 4

Zustimmung, da geeignet, Nichtaufgriffe wegen Verjährung zu mindern. Ändert aber nichts an der grundsätzlichen Problematik der unzureichenden Anzahl an Ermittlungen der Finanzbehörden (insbesondere wegen Personalmangel und Ausstattung), die auch weiterhin für Verjährungen sorgen werden. Zusätzlich sollte der Vorschlag von Herrn Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft aufgenommen werden: Einmalige Verlängerung der Festsetzungsfrist um zwölf Monate aufgrund von coronabedingten Einschränkungen der Finanzbehörden.