Rede zum Gedenken anlässlich des Jahrestages der Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs

Liebe Genossinnen und Genossen, Freundinnen und Freunde,

Geehrte  Anwesende,

 

Wir treffen uns heute an dem Ort, an dem Ostern 1916 vor knapp 104 Jahren Karl Liebknecht seine Rede vor Vertretern der linken Arbeiterjugend hielt. Die linke Arbeiterjugend entstand aus der Ablehnung des Krieges. Kriegskritik war zu jener Zeit nicht nur unerwünscht, sie war verboten. Trotzdem organisierten Jugendliche aus Jena erfolgreich dieses Treffen. 62 junge Arbeiter aus 17 deutschen Städten reisten zu dem geheimen Treffen an, um Argumente gegen den Krieg auszutauschen und Aktionen für Frieden vorzubereiten.

Karl Liebknecht entwarf die verabschiedete Resolution und stellte diese hier vor. Sie wurde beschlossen als ein Signal für Frieden, für Gerechtigkeit und als Aufruf, dafür einzutreten. Heute, 104 Jahre später, stehen wir wieder an der Schwelle von weltweiten, kriegerischen Auseinandersetzungen. Ablehnung von Krieg wird als „weltfremd“ verunglimpft, Proteste gegen Armee und Waffenproduzenten werden als kriminell bezeichnet. Menschen, die gegen Krieg, gegen Hass, gegen Nationalismus auftreten, werden beschimpft und bedroht. Überlebende des Faschismus und andere Menschen, die die Erinnerungskultur aufrechterhalten wollen und gegen Faschismus kämpfen, werden finanziell ruiniert.

Eine Verrohung der Sprache - auch in den Medien - findet statt, im Internet wird jede Moral vergessen. Polizei und Justiz schauen zu. Und dann werden Krokodilstränen vergossen, wenn verbaler Hass in reale Anschläge und Morde umschlägt. Krieg wird von der deutschen Verteidigungsministerin als legitimes Mittel der Außenpolitik angesehen, und der Außenminister widerspricht nicht. Obwohl dies dem Grundgesetz widerspricht, regt sich nur wenig öffentlicher Widerstand.

Kriegsspiele der NATO sollen uns wieder an das Militär gewöhnen, 20.000 US-Soldaten mit hunderten von Panzern und über 1.300 Fahrzeugen werden in den nächsten Monaten „zum Üben“ nach Europa verlegt und rollen durch Deutschland nach Osten. 105 Jahre nach Beginn des 1. und 80 Jahre nach Beginn des 2. Weltkriegs rollen wieder Panzer nach Osten. Die Bundesregierung macht mit bei dieser Drohkulisse gegen Russland. Das ist ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht erhoben ihre Stimmen gegen die Kriegstreiber des 1. Weltkrieges und wurden dadurch zu Symbolen.  Sie kämpften gegen Ausbeutung und Unterdrückung, für eine neue, gerechte Gesellschaft und dadurch wurden sie den Imperialisten gefährlich. Am 15. Januar 1919  wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ermordet. Wenn Imperialisten ihre Macht, ihre Profite gefährdet sehen, fördern sie rechte Ideologien, lassen Militaristen, Nationalisten und  Rassisten gewähren.

1923 beendete die Reichswehr die Regierungskoalitionen von KPD und SPD in Sachsen und Thüringen. 1933 kamen die Faschisten endgültig an die Macht. In Chile Grenada und Bolivien wurden vom US-Imperialismus rechtmäßige Regierungen gestürzt.

Im Irak, Syrien, Libyen, Afghanistan und Somalia geht es nicht um Menschenrechte, es geht auch nur vermeintlich um einen Kampf gegen Terror. Tatsächlich geht es um Öl, Gas und Einflusssphären, genau wie bei den Konflikten gegen den Iran oder in der Ukraine. So wie vor mehr als 100 Jahren werden Scheingründe projiziert, damit der eigene Krieg um Macht und Ressourcen öffentlich als gerecht, unausweichlich und notwendig erscheint.

Wir stehen heute hier und ich wiederhole das Zitat von Rosa Luxemburg:

„Die Mißachtung des Lebens und die Brutalität gegen den Menschen lassen die Fähigkeit des Menschen zur Unmenschlichkeit erkennen. - Sie kann und darf kein Mittel irgendeiner Konfliktlösung sein und bleiben.“

Im letzten Jahrtausend schienen Kriege gewinnbar, heute, beim Stand von Wissenschaft und Technik, wird es keine Gewinner geben. Nur der Zeitpunkt, wann der Preis zu zahlen ist, liegt beim Sieger etwas später. Aber dies ignorieren die Kriegstreiber.

Und heute müssen wir das Zitat Rosa Luxemburgs

 „Die Dividenden steigen und die Proletarier fallen.“

verändern, heute müsste es lauten:

"Die Dividenden explodieren – die Menschheit stirbt."

Damals wie heute werden Sündenböcke installiert. Für das Kaiserreich waren es der Erbfeind aus Frankreich und die russischen Horden. Für die Nationalsozialisten waren es die Juden, die Sinti und Roma, die Kommunisten, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Humanisten und die russischen Bolschewisten.

Und heute?

Für die Regierung sind es Russland und die Islamisten. Und für die neuen Faschisten sind es Flüchtlinge, Linke, Sozialdemokraten und Humanisten.

 

Liebe Anwesende,

ich konnte mir nicht vorstellen, wie das deutsche Volk so verrohen konnte wie in den Jahren von 1933 bis 1945. Heute werden wir Zeugen davon, wie Rassismus und Intoleranz sich erneut ausbreiten. Wie Mitbürger und Mitbürgerinnen Hass pflegen und zelebrieren. Jetzt kann ich leider verstehen, wie es damals geschehen konnte und jetzt stehen wir 100 Jahre später vor derselben Aufgabe:

Wie können wir Krieg, wie können wir Unmenschlichkeit, wie können wir nationalistischen Rassismus zurückdrängen oder im besten Fall überwinden?

Ich bin unsicher, wie vielleicht manche von Euch auch, aber eines ist sicher. Wir müssen Haltung zeigen und klarmachen:

Es sind nicht Kriegsflüchtlinge, die unsere Gesellschaft gefährden – es ist die Profitgier der Milliardäre, egal ob sie Quandt, Trump, Gates, Zuckerberg oder anders heißen. Es sind nicht Menschen, die vorm Hungertod oder für ein besseres Leben flüchten, die den Wohlstand gefährden, sondern die, die Steuern hinterziehen und Gelder in Steuerparadiese schieben wie Hoeneß, die Schleckers oder die Deutsche Bank. Es sind nicht die Klimaschützer, die unsere Zukunft zerstören, sondern die Ignoranten der Kohle- und Ölkonzerne und der Autoindustrie. Und heute wissen wir aus der Geschichte, wenn Demokraten und insbesondere Linke Kräfte getrennt marschieren und jeder für sich allein kämpft, dann gewinnen die Faschisten.

Also halten wir zusammen!

Sozialstaatlichkeit, Meinungs- und Religionsfreiheit und Gleichberechtigung, davor fürchten sich die neuen Faschisten der AfD.

Kämpfen wir zusammen:

Mehr soziale Gerechtigkeit und weniger soziale Spaltung bedeutet weniger Angst vor Zuwanderung und weniger Rassismus. Gleichberechtigung und Teilhabe stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt. Freie, offene und transparente Berichterstattung, auch bei uns unangenehmen Ereignissen, nimmt Verschwörungstheorien die Grundlage.

Und eines ist noch wichtig:

Akzeptieren wir jeden Verbündeten gegen Nazis, egal ob er aus humanistischer, religiöser, weltanschaulicher Überzeugung oder aus anderen Gründen handelt.

Wir brauchen die Menschen, die Nazis blockieren,

wir brauchen die, die laut gegen Nazis protestieren,

wir brauchen auch die, die anonym in Netzwerken gegen Rassismus argumentieren.

Wir brauchen auch die, die sich still für Menschlichkeit engagieren.

Und wir brauchen auch die, die in der Wahlkabine gegen Nazis votieren.

Wir brauchen alle, die Faschisten nicht akzeptieren.

 

Liebe Anwesende –

Rosa und Karl ehren wir am besten mit unserem Einsatz für Frieden, soziale Gerechtigkeit, für Freiheit und Bildung. Wir werden nicht zulassen, dass Nazis, Fanatiker und Kriegstreiber durch ihren Hass und ihren Frust Europa und am Ende die Welt zerstören

Hass und Frust sind abstoßend, Freundlichkeit, Humor und Lebenslust sind attraktiv. Fröhlich sein, schöne Momente genießen, das gibt uns die Kraft, Mensch zu bleiben, und das ist unsere Chance.

Darum schließe ich die kurze Ansprache vor der folgenden Schweigeminute mit einem Zitat von Rosa Luxemburg:

„Sieh, daß du Mensch bleibst. Mensch sein ist von allem die Hauptsache. Und das heißt fest und klar und heiter sein, ja heiter, trotz alledem.“

Danke, dass wir gemeinsam für Karl und Rosa zusammenkamen.