Novellierung des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsbaus

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Wenn Infrastrukturprojekte sehr zügig vonstattengehen sollen, leiden Planungs- und Umweltrecht und die öffentliche Beteiligung. Bei Strom-Übertragungsnetzen wurde bereits 2011 das erste Mal beschleunigt: man hat mit dem NABEG den Bundesländern Kompetenzen über Planungs- und Genehmigungsverfahren weggenommen und an die Bundesnetzagentur übertragen. Das Planungsrecht bei Übertragungsleitungen ist deshalb seit Jahren nicht mehr Standard. Der im Januar 2019 eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsbaus soll einen Prozess weiter beschleunigen, der bereits beschleunigt ist.

Diese zusätzliche Beschleunigung kann nur mit weiteren Eingriffen in das Planungsrecht des Bundes, der Länder und Kommunen und mit Abstrichen beim Gesundheitsschutz, beim Umweltschutz und der öffentlichen Beteiligung erfolgen. Die EU hat nicht ohne Grund umweltplanerische Strategien entwickelt, die den Bau von Infrastruktur der strategischen Umweltprüfung und im Konkreten der Umweltverträglichkeitsprüfung unterordnen. Umwelt, Ökologie und Biodiversität werden seit Jahrzehnten auf das Äußerste strapaziert; nicht nur durch Infrastruktur, sondern vermehrt auch durch Klimastress. Es gibt keinen Grund, diese Strapazen mit mangelhaftem Planungsrecht, kurzsichtigen Entscheidungen und Ignoranz weiter zu verschärfen.

Mit Beschluss dieses Gesetzes werden fundamentale ökologische Errungenschaften ohne Not weiter aufgeweicht. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, ökologische Schäden und Enteignungen von Grundstückseigentümern (Landnutzungsänderungen), ob aus Unachtsamkeit oder beabsichtigt, sind oft irreparabel und schwer oder gar nicht zu korrigieren. 

Warum dieses Gesetz Demokratie abbaut

Mitbestimmung des Parlaments wird geschwächt

Mit der geplanten Ergänzung des §19 NABEG schlägt die Bundesregierung vor, dass zukünftig Stromleitungen planfestgestellt werden dürfen, für die es keine parlamentarische Gesetzesgrundlage gibt. Taucht eine Leitung im Netzentwicklungsplan auf, soll sie zukünftig vor Beschluss eines Bundesbedarfsplans innerhalb anderer Trassen mitgeplant werden können. Ein solches Vorgehen ist nach der Einführung des Energieleitungsausbaugesetzes 2009 ein Novum. Es ist seit 10 Jahren Konsens, dass im Übertragungsnetz nur solche Leitungen geplant werden, über die der Bundestag einen Beschluss gefasst hat. Dieser Konsens soll aufgekündigt werden.

Mitbestimmung der Kommunen wird geschwächt

Die kommunale Beteiligung durch Träger öffentlicher Belange wird geschwächt; insbesondere, da Konsultationen im Rahmen der UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung) nicht zu Ende gehört werden müssen, bevor das Genehmigungsverfahren für ein Projekt abgeschlossen wird. Somit wird es möglich, Fakten zu schaffen. Die sollen zwar nach Formulierung im Gesetzentwurf nicht zu irreparablen Schäden führen dürfen, jedoch bleibt unbestimmt, ab wann ein in der Natur angerichteter Schaden irreparabel ist. Durch eine Neuregelung des §13a EnWG wird kommunalen Verteilnetzbetreibern (oft Stadtwerke) überdies die Regelungskompetenz über Stromerzeugungsanlagen ab 100 Kilowatt genommen.

Eingriff in das Mitbestimmungs- und Klagerecht

Durch den Gesetzentwurf sollen Genehmigungsverfahren auf eine Weise abgekürzt werden, sodass nicht nur Umweltbelange nicht zu Ende angehört werden müssen, sondern auch die Einspruchs- und Klagemöglichkeiten von Betroffenen und Trägern öffentlicher Belange stark eingeschränkt werden. Klagen nach UVP-Gesetz werden mit diesem Gesetz keine aufschiebende Wirkung mehr haben. Eine Klage, wie sie derzeit vom Land Thüringen gegen den Verlauf des SuedLink geführt wird, wäre damit obsolet und die Belange der Länder und Kommunen und die des öffentlichen Interesses werden damit untergraben.

Eingriff in Umweltbelange

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftig Parallelbauten zu bestehenden Trassen, Umbeseil und Trassenverlängerungen (bis 15 km) nicht mehr durch ein Umweltprüfverfahren begleitet werden muss. Da für Parallelbauten die Bundesfachplanung abgeschafft werden soll, sind Einschnitte an den notwendigen strategischen Umweltprüfungen vorprogrammiert. Eine Verlängerung einer Trasse um 15 km soll sogar ganz ohne UVP-verfahren ermöglicht werden. Damit unterstellt die Bundesregierung indirekt, dass Regionen in einem 15-Kilometerradius um einen Trassenendpunkt keiner besonderen Umweltprüfung mehr bedürfen. Dass diese Annahme im Grundsatz zu gravierenden Konflikten zwischen energiewirtschaftlichen Interessen und der Schutzbedürftigkeit von Umwelt und Natur führt, liegt auf der Hand.

Eingriff in Zuständigkeit der Regionalnetzbetreiber und Verteilnetzbetreiber

Mit der Neuregelung des §13a EnWG sollen die Übertragungsnetzbetreiber zukünftig Zugriff zur ferngesteuerten Regelung auf Stromerzeugungs- und Speicheranlagen ab 100 Kilowatt Nennleistung bekommen. Diese Regelung beschränkte sich bisher auf Anlagen ab 10 Megawatt. So sind zukünftig nahezu alle erheblichen Erzeugungsanlagen unter dem Regime der Übertragungsnetzbetreiber regelbar, die bislang von ihren zuständigen Regionalnetzbetreibern betreut wurden. Mit dieser Regelung will die Bundesregierung tief in die Kompetenzen der Regionalnetzbetreiber eingreifen. Dabei werden auch langjährige Erfahrungen über regionale Lastgebiete und Erfordernisse der Regionalnetzbetreiber umgangen. Es besteht die Gefahr, dass damit eine reine Betrachtung installierter Erzeugungsleistung oder des Verbrauches ohne die Ausgleichswirkung im Lokalnetz zwischen Erzeugung und Verbrauch betrachtet wird. Damit erhalten die ÜNB die Chance, einen bilanziell höheren Übertragungsnetzausbaubedarf zu ermitteln, den es physikalisch nicht gibt/nicht geben kann.

Warum dieses Gesetz Vertrauen verspielt

Der Gesetzentwurf erscheint zu einer Zeit, in der sich etliche Genehmigungsverfahren mehrerer HGÜ-Trassenabschnitte in der letzten Phase der öffentlichen Beteiligung befinden. Der Widerstand gegen viele dieser Projekte ist in der Öffentlichkeit zurzeit auf einem Höhepunkt. Zu solch einem Zeitpunkt ein derartiges Gesetz vorzulegen, das die öffentliche Mitbestimmung stark einschränkt und die Beteiligungsmöglichkeiten verringert, ist kontraproduktiv. Im Interesse der Profite der Übertragungsnetzbetreiber schürt die Bundesregierung so unnötig gesellschaftlichen Unfrieden.

Verlautbarungsrecht über den Beginn von Konsultationsverfahren wird eingeschränkt

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Bekanntmachung über den Beginn der Auslegung von Plänen zur Umweltverträglichkeitsprüfung zur öffentlichen Konsultation nicht mehr über Amtsblätter erfolgen muss. Die Bundesregierung begibt sich damit auf den Standpunkt, dass eine Bekanntgabe auf einer Internetseite und eine Veröffentlichung in den jeweiligen (privatwirtschaftlichen) regionalen Tageszeitungen ausreichend ist. Gerade in einer Zeit, in der in Thüringen öffentlich über die Einstellung von lokalen Printmedien spekuliert wird, wird klar, dass die Informationsrechte und Informationspflichten auf kommunaler Ebene so nicht mehr gewährleistet werden können.

Zwang zum Bau hebelt Fortschritte bei Netzentwicklungsplänen aus

Die Bundesregierung will, dass zukünftig bei allen im Bundesbedarfsplangesetz beschlossenen Stromleitungsprojekte spätestens nach 18 Monaten mit der Bundesfachplanung begonnen werden soll. Andernfalls werden die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber mit Bußgeldern belegt. Gleichzeitig befindet sich die Netzentwicklungsplanung aber in einem 24-monatigen Zyklus. Gibt es von einem Beschluss zur Bundesbedarfsplanung im folgenden Netzentwicklungsplan Änderungen an einem Trassenverlauf oder an der Notwendigkeit einer Trasse überhaupt, wird dies nicht mehr ohne Investitionsschutzklagen revidierbar sein. Hätte dieses Gesetz bereits vor der Umplanung der Anknüpfungspunkte des SuedOstLink bestanden, wären die Bemühungen der CSU-geführten Bayrischen Landesregierung ins Leere gelaufen, den südlichen Trassenendpunkt von Gundremmingen nach Isar zu verlegen. Die Regelung hat zur Folge, dass Ergebnisse eines Netzentwicklungsplans mit dem Beschluss eines BBPlG in Stein gemeiselt werden und unveränderlich bestehen bleiben; auch bei sich ändernden energiewirtschaftlichen Rahmen.

DIE LINKE lehnt diesen Gesetzentwurf ab!