Netzentgelte vereinheitlichen!

Sehr geehrter Herr Präsident,

verehrte Kolleginnen und Kollegen,

das ist schon ein starkes Stück, was sich die Koalition mit diesem Gesetzentwurf leistet. Wir kennen alle den Referentenentwurf aus dem Ministerium, der war gar nicht so schlecht. Und dann streicht das Ministerium aus dem Entwurf den wichtigsten und auch noch vernünftigen Punkt der Angleichung der Netzentgelte für die Übertragungsnetze. Sie hätten konsequenterweise auch gleich den Titel des Gesetzes ändern sollen, denn das, was hier jetzt übrig ist, ist ein Gesetz zur Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte. Und nicht mal in dem kümmerlichen Rest nehmen Sie von der Koalition die Realitäten wahr und zeigen so, wie wenig Sie vom Umbau des Energiesystems für eine echte Energiewende mit 100 Prozent erneuerbarer Energie verstehen.

Ich fange von vorn an.

Erstens: Ich erinnere an die Plenardebatte zu unserem Antrag zu bundeseinheitlichen Netzentgelten. Da sprach der Kollege Dirk Becker von der SPD, bezogen auf das Problem der immer größeren Spanne bei den Netzentgelten, die zwischen 4 Cent in Düsseldorf und 10 Cent im Havelland betragen, ich zitiere:

"Das Problem ist angekommen, es steht auf der Agenda der Großen Koalition, und wir  werden es entsprechend lösen."

Das war im November 2014. Mit Hinweis auf ihren Koalitionsvertrag hat die große Koalition mehrfach angekündigt, das Problem anzugehen. Jetzt sind zweieinhalb Jahre vergangen, Ihre Regierungszeit läuft ab und das Problem besteht noch immer. Die Koalition hat sich erpressen lassen oder will im Hinblick auf die Wahlen Rücksicht auf bestimmte Regionen nehmen, in denen die Angleichung der Netzentgelte zu leichten Erhöhungen führen würde. Dabei ist ihr die unsoziale Benachteiligung der ländlichen Räume der Bundesrepublik wurscht. Die Koalition hat versagt.

Zweitens: Mit der Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte meint die Koalition, einen großen Kostentreiber der Netzentgelte auszuschalten.

Vermiedene Netzentgelte sind eine Prämie für dezentrale Stromerzeugungsanlagen, weil sie theoretisch den Strom dort erzeugen, wo er gebraucht wird, und damit die Netze entlasten. Dezentrale Stromerzeugungsanlagen sind Solar- und Windanlagen und auch Blockkraftwerke, die Heizwärme und Strom gleichzeitig erzeugen - KWK genannt.

Doch statt zielgenau Wildwuchs bei den vermiedenen Netzentgelten zu entfernen, übt sich die Koalition im Kahlschlag.

Einerseits erkennen wir natürlich an, dass die vermiedenen Netzentgelte für Solar- und Windkraftanlagen inzwischen nicht mehr zeitgemäß sind. In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, einmal darüber nachzudenken, die Netzentgeltabrechnung nicht mehr ausschließlich nach verbrauchten Kilowattstunden vorzunehmen, sondern auch die bereitgestellte Anschlussleistung einzubeziehen. Diese Vorschläge sind Ihnen von der Koalition seit Jahren bekannt, aber auf darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen.

Denn mit Ihrem Kahlschlag-Gesetzentwurf will die Koalition andererseits auch die vermiedenen Netzentgelte für die Kraft-Wärme-Kopplung aufheben. Das wiederum schadet der Energiewende. Ich will Ihnen das erläutern: Die KWK-Anlagen sind das Rückgrat der Energiewende. Ich muss Ihnen das so deutlich sagen, weil es ganz offensichtlich ist, dass ein großer Teil der Koalition das nicht verstanden hat oder nicht verstehen will.

Denken Sie einmal ein paar Jahre weiter. Dann stellen Sie sich die Frage, wodurch bei Ihrem geplanten 80%-Anteil von erneuerbarem Strom bei Dunkelheit und Windstille die notwendige Leistung, die gesicherte Leistung im Stromsystem bereitgestellt werden soll? Wollen Sie dann teure zentrale Ersatzkraftwerke vorhalten? Das ist die volkswirtschaftlich die teuerste Lösung, das lehnt DIE LINKE. ab. Denken Sie lieber wie wir an KWK-Anlagen. Die haben schon heute eine installierte Leistung von über 30 Gigawatt.

Diese KWK können, wenn sie über Heizpatronen auch Überschussstrom im Wärmebereich nutzen und netzdienlich Strom erzeugen, Netze entlasten und Netzausbau reduzieren. Deshalb verdienen Sie es auch weiterhin, für real vermiedene Netzkosten entschädigt zu werden und weiterhin vermiedene Netzentgelte zu erhalten.

Aber die KWK wird von Ihnen allenthalben stiefmütterlich behandelt. Es ist nicht verwunderlich, dass insbesondere Stadtwerke mit mittleren KWK-Anlagen zu Recht beklagen, dass ihre KWK´s am Rande der Unwirtschaftlichkeit stehen. Die Förderpolitik der großen Koalition, aber auch der vorherigen Bundesregierung aus Union und FDP ist durchweg darauf ausgerichtet, jegliche Infrastruktur, die einer dezentralen Energiewende dienlich wäre, vielleicht sogar noch von kommunalen Unternehmen betrieben werden könnte, zu verhindern.

Wir lehnen den Gesetzentwurf ab, und zwar nicht nur wegen der vom Ex-SPD-Wirtschaftsminister Gabriel aus dem Gesetzentwurf herausgestrichenen Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte, sondern auch wegen dem Anschlag auf die KWK-Anlagen, die für die Energiewende unverzichtbar sind.