Forschungsfreiheit bewahren

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Hier gibt die Rede auch als Video

 

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Das Wichtigste für technologische Leistungsfähigkeit und Forschungsqualität sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

 

Liebe Studenten, Doktorandinnen, Postdocs und Wissenschaftlerinnen und Ingenieure, ohne Sie, ohne Ihre Neugier würde es keine Forschung geben. Regierungen, Politiker, aber eben auch Unternehmen können bestenfalls den Rahmen liefern. Entscheidend für jede Forschung, für den Forschungsstandort sind Sie. Sie sind die Haupttriebkraft des wissenschaftlichen Fortschritts, und dafür sage ich Danke!

Bei meinen Besuchen in Laboren, Instituten und Hochschulen verstand ich nicht alles, was mir erklärt wurde. Aber immer spürte ich die Leidenschaft der Forschenden. Wenn es um ihre Idee geht, überwinden sie alle Hemmnisse, auch das schlimmste, das kurzgefasst lautet: Das war schon immer so; das haben wir immer schon so gemacht. - Ich selbst arbeitete in der Entwicklung und bewundere, wie es viele von ihnen schaffen, gefühlt rund um die Uhr im Labor zu sein und parallel dazu zu publizieren. Dabei müssen sie auch häufig neue Finanzierungsquellen zur Umsetzung ihrer Ideen finden. Respekt!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sehen und fühlen die Einsatzbereitschaft des Forschungspersonals. Trotzdem machauft die Regierung der Wissenschaft das Arbeiten eher schwerer. Warum zwingen Sie Hochschulen in aufwendige Exzellenzbewerbungen und Drittmittelbeschaffungen?

Warum läuft so viel über befristete Projektfinanzierung? Damit schränken Sie offensichtlich die Forschungsfreiheit ein, weil sie die Forschung in Bahnen zwängen, für die es extra Gelder gibt.

Die Linke steht für die Freiheit der Wissenschaft, für eine Wissenschaft frei von politischen und finanziellen Zwängen.

Wir fordern für Studentinnen und Studenten, Doktorandinnen und Doktoranden, Postdocs, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Ingenieurinnen und Ingenieure stabile, bessere Rahmenbedingungen, damit wir eben Lösungsvorschläge auf bekannte Probleme wie Klimawandel und die Folgen, Digitalisierung, aber auch wachsende Armut und soziale Ausgrenzung und daraus entstehende Fluchtbewegungen erhalten; damit wir Fragen gestellt bekommen, die unbequem sind, aber unausweichlich auf die Gesellschaft zukommen. Deshalb fordern wir eine höhere Grundfinanzierung für Hochschulen - ja -, und dafür sollten wir den dreizehn Grundgesetzänderungen der letzten Sitzungswoche eine vierzehnte hinzufügen. Liebe CDU-ler, ich sage heute einmal nicht „Aufhebung des Kooperationsverbotes“,

ich fordere, für ein umfassendes Kooperationsgebot für Bildung, Lehre und Forschung in Artikel 91 Grundgesetz Änderungen vorzunehmen.

 

Wir fordern längere Vertragslaufzeiten in der Forschung, mehr Dauerstellen in der Wissenschaft, damit sich unser forschender Nachwuchs ohne Existenzangst ganz auf die Forschung konzentrieren kann.

Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben ein Recht auf planbare Perspektiven - beruflich und familiär.

Die Linke sagt, mit mehr Grundfinanzierung braucht es weniger öffentliche Drittmittelprojekte. Das erspart unserem wissenschaftlichen Nachwuchs und dem erfahrenen Personal das Schreiben von Projektanträgen, stupide Projektabrechnungen und das Zittern vor Auswahlkommissionen - Zeit, die heute für die eigentliche Forschung fehlt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zuletzt noch zwei Punkte, die den Betroffenen und mir sehr am Herzen liegen. Auch Sie erhielten Post von dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Strohschneider. Bitte folgen Sie der Bitte zum Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz.

Wenn Sie den Forderungen der Verlagslobby nachgeben, steigern Sie nur deren Profite und schaden unserem Forschungsstandort, den Studierenden und der Wirtschaft außerhalb des Verlagswesens.

Der zweite Punkt betrifft das Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau - IGZ - in Erfurt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit überwältigender Mehrheit haben wir vor wenigen Wochen die Stärken des Gartenbaues mit seinen 700 000 Beschäftigten hier im Bundestag beschlossen. Da ging es auch um die Sicherung der Forschung für den Gartenbau. Der Freistaat Thüringen und das Thüringer Landwirtschaftsministerium stehen für den Fortbestand des Standortes in Erfurt. Thüringen hat alle Vorbedingungen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft erfüllt.

 

Liebe Koalition, woran klemmt es denn noch?

Den Kolleginnen und Kollegen des IGZ läuft die Zeit davon. Gibt es bis Juli keine belastbare Vereinbarung, müssen die Kündigungen ausgesprochen werden. Selbst wenn der nächste Bundestag dann mit dem Haushalt 2018 die Rettung des Standortes Erfurt beschließen sollte: Es wäre zu spät. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, lassen Sie uns das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft zum Handeln treiben, und zwar schnell.

 

Danke schön.