Forderungen der VG Wort schaden den Hochschulen

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Die Rede gibt es auch als Video

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!

 

Mit diesem Beweihräucherungsantrag versetzt uns die Koalition in weihnachtliche Stimmung. Am Weihnachtsbaum Forschung und Innovation strahlen helle Lichter. Das Programm „Horizon 2020“ stellt 80 Milliarden Euro für Forschung und Innovation bereit, das begrüßen wir. Dass die Bundesregierung Forschungsförderung für Atomreaktoren ablehnt, das begrüßen wir.

Dass die Koalition mehr Chancengleichheit in Wissenschaft und Forschung und einen höheren Frauenanteil in wissenschaftlichen Führungsgremien fordert, das unterstützt die Linke.

Dass kleinere und mittlere Unternehmen mehr Berücksichtigung in der europäischen Forschungspolitik finden sollen, das unterstützt die Linke.

Dass im Bundeshaushalt die Forschungsmittel erhöht wurden, auch das unterstützt die Linke.

Aber im Baumschatten versteckt liegen falsche Gaben: die Schließung des Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Erfurt. Die Beschäftigten bangen um ihren Job, der Gartenbau verliert seine angewandte Forschung.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie Ihren Antrag zum Gartenbau ernst, und retten Sie zusammen mit dem rot-rot-grün regierten Thüringen das IGZ in Erfurt. Das wäre ein echtes Geschenk.

Die Zentralbibliothek Medizin in Köln wird abgewickelt. Wie es mit den Datenbanken und Beständen nach 2019 weitergeht, ist ungeklärt. Sie können dies in den Kleinen Anfragen nachlesen, die ich an die Bundesregierung gestellt habe. Medizinischer und pharmazeutischer Nachwuchs, die Forscherinnen und Forscher sowie die Firmen bangen um diese Datenbasis. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwingen wir die Regierung per Beschluss, den Fortbestand dieser weltweit größten Datenbanken zu Lebenswissenschaften zu erhalten und Pflege und Ausbau der Bestände der ZB MED zu sichern. Das wäre ein echtes Weihnachtsgeschenk.

 

Dann liegt da noch das Geschenk, dessen Annahme die Rektoren und Rektorinnen der deutschen Universitäten und Hochschulen verweigerten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was den Hochschulen von der Verwertungsgesellschaft Wort - VG Wort - aufgezwungen werden soll, ist dreist.

Zuerst forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mithilfe von öffentlichen Geldern, aber die Forschungsresultate sind privat. Dann werden die Resultate ihrer Forschung mit öffentlichen Mitteln publiziert. Aber am Vertrieb, den Publikationen, verdient der Verlag.

Bibliotheken kaufen mit öffentlichen Mitteln die Publikationen, um sie für Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzbar zu machen. Dreimal muss die Gesellschaft bezahlen, um das Ergebnis der Forschung nutzen zu können.

Verwenden Professoren oder Lehrkräfte Ausschnitte aus Büchern und kurzen Veröffentlichungen, dann zahlen sie nochmals - an die VG Wort, die GEMA des Geschriebenen. Ab 2017 wird dann noch eins draufgesetzt. Statt bisheriger Pauschalabrechnung sollen die Hochschulen eine Einzelabrechnung vornehmen. Für jeden Artikel, für jeden Ausschnitt, für jede einzelne Seite sollen je Unterrichtskurs und Teilnehmenden 0,8 Cent bezahlt werden.

Ein Beispiel: Ein Germanistik-Professor verwendet in seiner Vorlesung 61 vergütungspflichtige Seiten. 723 Studierende sitzen im Hörsaal, und die Vorlesung wird im Internet von x weiteren Studierenden verfolgt. Hoffentlich hat sich der Professor nicht verzählt, und hoffentlich sind alle registriert, die via Internet zuhören. Die Hochschule zahlt also für diese Vorlesung 352,82 Euro plus x mal 61 mal 0,8 Cent fürs Internet an die VG Wort. Der Professor verwies in den Übungen auf 70 vergütungspflichtige Seiten. Damit zahlt jeder Studierende für die Übung nochmals 56 Cent an die VG Wort.

Kein Problem, das geht alles online. Jede Seite wird je Studierenden, je Nutzung, je Vorlesung einzeln abgerechnet. Was für ein Bürokratiemonster!

Das kostet die Hochschulen und Studierenden extra Geld und vor allem eines: Unmengen an Zeit.

Die Hochschulrektorenkonferenz bewertete den Feldversuch zu diesem Einzelabrechnungssystem an der Universität Osnabrück vernichtend. Die Hochschulen haben die Einzelabrechnung abgelehnt. Zurzeit wird gestritten, wie es ab Januar 2017 weitergeht. Ohne Lösung dürfen Professorinnen und Professoren nur noch auf Artikel verweisen; Studierende kopieren oder drucken diese dann in der Bibliothek aus. Das wäre noch zulässig, aber teuer und umweltschädlich. Die Linke fordert, dass alle mit Steuergeldern gewonnenen Forschungsergebnisse unentgeltlich für öffentliche Forschung, für Ausbildung und Lehre genutzt werden können.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Forderung werden Sie wohl leider nicht folgen. Ich bitte Sie jedoch: Beschließen Sie die Pauschalabrechnung für die VG Wort. Der Bundestag ist der Gesetzgeber. Wir dürfen das Urheberrecht verändern.

Ich hoffe auf bessere Weihnachten 2017, dann mit echten Anträgen statt mit Selbstbeweihräucherung.

Vielen Dank.