Agenda Digital - ohne Rücksicht auf Verluste

Ralph Lenkert

Die Bundesregierung plant, im Zuge ihrer Agenda-Digital, das 700 MHz-Band an Mobilfunkanbieter zu versteigern. Was nicht spektakulär klingt, wird gravierende Auswirkungen haben: auf Kulturschaffende, auf Theater, auf Hochschulen und Universitäten, auf Kommunen, auf Menschen, die über DVB-T fernsehen und auf die Kirchen.

Jegliche drahtlose Kommunikation benötigt ihren Platz. Konkret benötigt sie eine Frequenz, auf der Sender und Empfänger miteinander kommunizieren können. Wenn diese Frequenz von einem anderen Gerät oder Teilnehmer verwendet wird, kommt es zu Störungen und Überlagerungen. Die Kommunikation bricht zusammen.

Die Bundesnetzagentur ist in Deutschland dafür zuständig, die Frequenzbänder zu überwachen und den verschiedenen Nutzern Frequenzen zuzuweisen. Fast jedem ist bekannt, dass der Frequenzbereich 87,5 – 108,0 MHz allein dem UKW-Rundfunkempfang zur Verfügung steht. Würden schnurlose Telefone oder der CB-Funk oder beispielsweise Thermometer mit Fernsensor auf diesen Frequenzen arbeiten, wäre Radiohören über UKW nicht mehr möglich. Es kann also immer nur eine Anwendung ein bestimmtes Frequenzband benutzen.

Warum die Versteigerung des 700 MHz-Bandes an die Mobilfunkbetreiber solche Probleme auslöst, wird klar, wenn man sich anschaut, wofür dieser Frequenzbereich zurzeit genutzt wird: für drahtlose Mikrofone und DVB-T1-Fernsehübertragungen. Diese Mikrofone und ihre Empfängertechnik wurden für dieses Frequenzband konzipiert. Sie können nicht nachgerüstet werden. Wenn das 700 MHz-Band an die Mobilfunkbetreiber geht, müssen alle, die mithilfe drahtloser Mikrofone Konzerte geben, Theaterstücke aufführen, Vorlesungen halten, öffentliche Veranstaltungen durchführen oder in Kirchen predigen, ihre komplette Mikrofontechnik ersetzen. Und es gibt noch ein weiteres Problem. Im Zuge der Frequenzversteigerung wird das Fernsehen über DVB-T1 nicht mehr möglich sein. Das betrifft die meisten heute noch genutzten DVB-T-Anlagen. Der nächste Standard, DVB-T2, benötigt andere Geräte, die sich die Menschen neu kaufen müssen. Dazu kommen außer der Rundfunkabgabe weitere Gebühren, da die Privaten Sender hier verschlüsselt übertragen werden. Nun ist der Umstieg auf DVB-T2 zwar ohnehin seit einiger Zeit geplant, allerdings sollte dazu bis 2019 das 700MHz-Band mit benutzt werden. Bundesverkehrsminister Dobrint hat allerdings angekündigt, viel eher mit der Versteigerung zu beginnen, so dass ab 2017 die ersten Mobilfunkanwendungen über die Frequenzen laufen sollen. Zeit für den DVB-T-Umstieg sieht er nicht mehr vor.

Zurzeit ist nicht vorgesehen, dass der Bund diese technische Umstellung bei Funkmikrofonen und DVB-T aus den Erlösen des Frequenzhandels zahlt. Die sollen nämlich komplett in den Breitbandausbau gehen. Dabei ist pro Funk-Anlage mit einem mittleren fünfstelligen Eurobetrag zu rechnen – je nach Anlagengröße. Das ist in Zeiten knapper Kassen für Kommunen kaum zu leisten. Damit die Kulturschaffenden, die Theater und Kommunen, Hochschulen und Kirchen nicht auf den Kosten sitzenbleiben, habe ich mich als Mitglied im Beirat der Bundesnetzagentur umgehend an die evangelische und katholische Landeskirche Thüringens, an das Theater in Jena, an Jena Kultur, an die Friedrich-Schiller-Universität in Jena und an die Technische Universität in Ilmenau gewandt und sie von den Plänen der Bundesregierung in Kenntnis gesetzt. Sie sollten in ihrem eigenen Interesse über ihre Kontakte und Kanäle beim Land und beim Bund darum kämpfen, dass entweder Ausgleichszahlungen erwirkt werden oder aber der Frequenzhandel gekippt wird. Das Wirtschaftsministerium in Thüringen und den LINKEN Wirtschaftsminister in Brandenburg habe ich ebenfalls über den Vorgang informiert, damit sie sich bei den Planungen und Behandlungen im Bundesrat für eine vernünftige und sozialverträgliche Lösung einsetzen können. Das ist das, was man als Oppositionspolitiker tun kann und tun muss. Leider hat die überregionale Presse das Thema nicht aufgegriffen, nachdem sie durch mich informiert wurden. Obwohl das ein Bundesthema ist, scheint hier das Ausmaß des Problems nicht erkannt worden zu sein.