Verbraucherinteressen sind der chemischen Industrie gleichgültig

Ralph Lenkert
Ralph LenkertRedenBundestagThemenUmweltpolitik

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Seveso-II-Richtlinie hat sich bewährt und wie der Name Seveso es ausdrückt, soll die Richtlinie vor schweren Unfällen mit Chemikalien schützen. Niemand weiß, wie viele Tote und Verletzte durch Unfälle mit gefährlichen Stoffen konkret mit dieser Richtlinie vermieden werden konnten. Jedoch steht fest, dass Zusammenhänge zwischen Schulungen und Sorgfalt im Umgang mit gefährlichen Stoffen zur Anzahl der Unfälle bestehen. Der beste Unfallschutz ist Vorsicht und vor allem eine Kenntnis der Gefahren.

Deshalb wäre eine weltweite Vereinheitlichung der Gefahrenkennzeichnung von Stoffen eigentlich zu begrüßen. Doch die jetzigen Piktogramme nach der CLP-Richtlinie über die Kennzeichnungen gefährlicher Stoffe erschließen sich oft nur den Eingeweihten. Diese Richtline opfert eine klar erkenn- und bewertbare Kennzeichnung gefährlicher Chemikalien einer teils verharmlosenden Vereinheitlichung.

So werden beispielsweise Gefahren für die Gesundheit durch das Brustbild einer Person mit angedeuteter Lunge dargestellt und ergänzt mit den Worten Gefahr und Achtung. Ob die Substanz im Verdacht steht Krebs zu erzeugen, wie Zigaretten, oder sehr giftig ist, wie Quecksilber, lässt sich nicht unterscheiden. Das Erkennen der Warnung vor der Ätzwirkung von Flüssigkeiten erfordert vom unbedarften Betrachter viel Phantasie und ob eine Flüssigkeit leichtentzündlich oder nur brennbar ist erfährt der Betrachter ebenfalls nicht. So ist fehlerhaftes oder leichtsinniges Verhalten vorprogrammiert.

Positiv für die Linke sind die in der EU-Vorlage ausgeweiteten Informationsrechte für EU-Bürger. Das Recht das Umweltverbände und unabhängigen Fachleute, die im Rahmen der Richtlinie erhobenen Daten und an die EU übermittelten Informationen einzusehen, bringt mehr Transparenz und erhöht die Sicherheit für uns alle. Aber gerade diese Transparenz wollen CDU und FDP mit ihrer Art der Umsetzung der EU-Richtlinie aushebeln.
Genau so, wie die Koalition optimalen Verbraucherschutz durch höhere nationale Schutzniveaus mit der Begründung „ das benachteiligt unseren Standort“ verhindert. Die Koalition will den Schutz der Verbraucher und Beschäftigten über Anpassung nach unten, auf ein möglichst niedriges, kostenneutrales Level senken. Die Gewinne aus diese Absenkung werden die Chemiekonzerne einfahren. Das Leid bleibt den unnötig Verletzten und die Kosten für die Behandlung unnötiger Opfer trägt die Gesellschaft.
Leider spielen Union und FDP auch in diesem Bereich das Spiel: Gewinne privat, Verluste dem Staat.

DIE LINKE teilt die Befürchtung von Fachleuten, dass die Liste der überwachungspflichtigen Stoffe zu kurz ist und die dort festgelegten Mengenschwellen zur Überwachung zu großzügig angesetzt sind. Das sogar gesundheitsgefährdende Stoffe aus der Überwachung herausfallen passt ins Bild der die Menschen ignorierenden - aber die Industrie streichelnden - Koalitionspolitik.

Wir haben SEVESO und die anderen Orte schwerer Chemieunfälle nicht vergessen, die Toten, die Kranken und die Menschen, die Hab und Gut verloren. All dies geschah durch die Gier nach mehr Profiten und die Ignoranz oder Aufhebung von strengen Regeln für die Industrie unter dem Deckmantel von Standortsicherung, Wettbewerbsfähigkeit und Entbürokratisierung. Im Interesse der Menschen muss DIE LINKE diesen Vorschlag ablehnen.