Technische Produkte müssen haltbarer werden

Ralph Lenkert
Ralph LenkertRedenBundestag

Rede zu Protokoll am 18.04.2013 zu TOP 33

Beratung des Antrags der Abgeordneten Ralph Lenkert, Karin Binder, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.

Ressourcenschutz durch Vorgabe einer Mindestnutzungsdauer für technische Produkte          Drucksache 17/13096


Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,


Wer kennt das Folgende nicht: Zwei Jahre, drei Monate, 12 Tage funktionierte der neue Laptop einwandfrei, dann lud er sich nicht mehr auf. Beim Händler wird einem dann mitgeteilt: 


„Erstens ist die Gewährleistung abgelaufen, zweitens haben Sie bestimmt mal richtig stark am Kabel gezogen, sind darüber gestolpert, dadurch ist die Stromanschlussbuchse  kaputt – das wäre sowieso keine Gewährleistung und drittens ist die Buchse fest auf dem Mainboard aufmontiert, das müssten wir für Sie komplett wechseln lassen, aber ob es das noch gibt?  Außerdem wäre das so teuer, das lohnt sich nicht,  kaufen Sie sich lieber einen  neuen Rechner.“ Auf Nachfrage erfährt man dann:    „Wir können das Gerät nicht reparieren, das senden wir an den Hersteller. Dies kostet mindestens 200,-€ und dauert zwischen 4 und 6 Wochen, aber manchmal auch länger.“

Da steht man dann als Kunde da und ist bedient. Mir fiel dann mein damaliger Kollege ein, Elektromechaniker und Hobbybastler. Nachdem er einen passenden Spezialschraubenzieher aufgetrieben hatte, öffnete er den Laptop, inspizierte das Bord  und murmelte – Kaltlötstelle – eindeutiger Herstellerfehler, aber das habe ich gleich. Fünf Minuten später war die Lötstelle repariert, der Rechner funktionierte weitere 4 Jahre.


Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

solche und ähnliche Erfahrungen hat wohl schon jeder gemacht. Obsoleszenz nennt man inzwischen die Verkürzung der Nutzbarkeit von Produkten, von eigentlich langlebigen Gebrauchsgütern. Die Studie zur geplanten Obsoleszenz, die die Grünen in Auftrag gaben, belegt eindrucksvoll, wie stark Firmen solche Strategien bereits nutzen. 


Von 2002 bis 2009 arbeitete ich als Technologe in der Entwicklung von optischen Baugruppen für Fernseher, Beamer, Handys und anderen elektronischen Geräten. Die Produktzyklen verkürzten sich in diesem Zeitraum von 4 Jahren auf 2 Jahre und weniger. Gleichzeitig forderten unsere Kunden, namhafte Elektronikkonzerne,  je Quartal Preissenkungen von 10 und mehr Prozent. Erhielten wir       im Jahr 2002 für ein Beamerobjektiv 250 € , so waren es bei vergleichbarer Leistungsfähigkeit des Objektivs im Jahr 2007 noch <ccc title="50 Dollar" style="font-size: inherit; background-color: transparent; -webkit-transition: none; ">38.63€</ccc>. Wer diese Reduzierung nicht schafft , verliert die Aufträge. Entschuldigung, aber jeder Lieferant, der diesem Druck ausgesetzt ist, ergreift jede Gelegenheit, Kosten zu senken. Sparen bei Personal reichte da längst nicht mehr, weniger und billigeres Material wird eingesetzt, Erhitzen bei Prozessen wie löten, erfolgt so knapp wie möglich, jedes Grad zu viel kostet unnötig Strom und damit Geld. Reparierbarkeit - kostet Geld, montiert man alles auf eine Platine,  spart dies ein paar Cent. Verklebt man das Gehäuse , spart man Schrauben und Dichtungen, und wieder ein paar Cent, will man das Gehäuse öffnen – Pech gehabt. Aber es gibt Barrieren für den Sparwahn - Vorschriften und Gesetze, die auch kontrolliert und durchgesetzt werden.                        

Und natürlich Kunden, die sich Qualität leisten können und gezielt haltbare Produkte kaufen, z. B. von Miele oder Vorweg. 

Angetrieben wird der Prozess zur Verkürzung von Lebenszyklen durch die kurzfristige Rendite und Umsatzjagd internationaler Konzerne. Wie viele Handys braucht ein Mensch – also eins sollte reichen. Funktionieren die Handys 4 Jahre, wäre der deutsche Markt mit etwa 20 Millionen Stück pro Jahr gesättigt. Wie will man dann noch Umsätze und Gewinne steigern?  


Hält ein Handy nur noch 2 Jahre, steigt deren Anzahl auf dem deutschen Markt auf 40 Millionen        pro Jahr – 100 % Steigerungspotential. Dass dadurch mehr Umwelt zerstört wird und Verbraucherinnen unnötig draufzahlen, interessiert die Konzernstrategen nicht. In vielen Branchen verkürzen Konzerne bewusst Stück für Stück die Haltbarkeit der Produkte oder nehmen das billigend, wie von mir beschrieben, für Kostensenkungen in Kauf. Da alle Wettbewerber mitmachen, haben Verbraucherinnen und Verbraucher keine Chance auf Alternativen. 

DIE LINKE. will diese Profitsteigerung zu Lasten der Umwelt und der Kundinnen und Kunden verhindern  oder wenigstens erschweren. 


Heute endet mit 2 Jahren die Gewährleistung. Waren die 2 Jahre nicht ganz abgelaufen und der Händler ist stur, dann muss nach geltendem Gesetz der Kunde nachweisen, dass ein Herstellfehler vorliegt. Mein Kollege hätte das beim Computer gekonnt - ich nicht. Und Sie? Verschleiß wegen falscher oder nicht ausreichend haltbarer Konstruktion bekommt man nach geltendem Recht über Gewährleistung nicht ersetzt. 

Deshalb fordert  DIE LINKE. gesetzliche Mindestnutzungszeiten für Produkte. Wie ist das beim Handy? Nach unserem Antrag muss es drei Jahre funktionieren. Wenn Tasten nach 2 Jahren nicht mehr reagieren, bekommt die Käuferin, der Käufer Ersatz, egal ob ein Herstellfehler oder vorzeitiger Verschleiß die Ursache war. Der Hersteller muss beweisen, dass er alles richtig machte und nur falls er nachweist, dass eine unsachgemäße Behandlung zum Ausfall führte, braucht er sein Gerät nicht zu ersetzen. 


Das Ermöglichen von Reparaturen, die einfache Ersetzbarkeit von Verschleißteilen wie Batterien will DIE LINKE. vorschreiben, damit eine Sauerei wie bei IPods mit eingelöteten Batterien zukünftig bestraft wird und Kunden nicht von der Gnade des Herstellers abhängen. 

Das Einbringen von Bauteilen, Zählern und technisch nicht begründbaren Sollbruchstellen in Geräte, nur damit diese eher unbrauchbar werden, ist ein Verbrechen an der Umwelt und ein Raubzug im Geldbeutel der Kundinnen und Kunden. Dieses Vorgehen will DIE LINKE. verbieten - zum Schutze der Umwelt, der Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch zur Unterstützung der Firmen, die solide und ohne hinterhältige Nutzungszeitverkürzung arbeiten.  


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, 

machen Sie sich nicht zum Steigbügelhalter der Renditejäger.

Die Abfallhierarchie der EU ist aus meiner Sicht die Grundlage für das Recht von EU-Staaten, Mindestnutzungszeiten festzulegen. Unterstützen Sie unseren Antrag oder bringen Sie einen eigenen  ein - DIE LINKE wird Sie nicht aufs Urheberrecht verklagen. DIE LINKE. kämpft für die Sache, Sie hoffentlich auch.