So macht Netzausbau keinen Sinn!

Ralph Lenkert
Ralph LenkertRedenBundestag

Rede am 25.04.2013 im Deutschen Bundestag zu TOP 6a.) und 6b.)- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze> Drucksache 17/12638 <- Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes> Drucksache 17/11369 <Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Hubertus Heil (Peine), Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDDie Strom-Versorgungssicherheit in Deutschland erhalten und stärken- zu dem Antrag der AbgeordNeten Rolf Hempelmann, Hubertus Heil (Peine), Ulrich Kelber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDDen Netzausbau bürgerfreundlich und zukunftssicher gestalten- zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Krischer, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAusbau der Übertragungsnetze durch Deutsche Netzgesellschaft und finanzielle Bürgerinnen-/Bürgerbeteiligung voranbringen> Drucksachen 17/12214, 17/12681, 17/12518, 17/… < 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute geht es um den Netzausbau beim Strom.

Großkonzerne erwarten fette Profite, und die Stromkunden befürchten steigende Preise. Ständig tönt es von CDU, CSU, SPD und Grünen: Der Netzausbau ist alternativlos. Denn im Norden weht der Wind, und der Windstrom muss nach Süden. Dafür braucht es zusätzliche Leitungen. Dann klappt es aus deren Sicht mit der Energiewende. Wirklich? 

Bei der Stromeinspeisung in die Netze gibt es eine Reihenfolge: Zuerst dürfen die Erneuerbaren ran. Danach gilt: Je teurer ein Kraftwerk Strom produziert, desto eher wird es abgeschaltet. Im Norden und Osten gibt es viele Kohlekraftwerke. Weitere sind geplant: Moorburg, Jänschwalde, Profen und andere. Derzeit können diese Kohlekraftwerke Strom für 3 Cent je Kilowattstunde anbieten. Im Süden gibt es Strombedarf.

Dort stehen umweltfreundliche Gaskraftwerke; zum Beispiel in Irsching. Dort kostet der Strom 5 Cent je Kilowattstunde. Aber: Netzausbau und Stromtransport quer durchs Land wären zu vermeiden. 

Wie sieht die Realität heute aus? Wir haben einen Engpass im Stromtransport zwischen Nord und Süd. Weht viel Wind im Norden, geht der Windstrom übers Netz. Für den Kohlestrom fehlt der Platz, und Irsching kann umweltfreundlichen Strom liefern. Klimafeindlicher Kohlestrom wird abgeschaltet.

Wenn die neuen Stromtrassen von der Küste bis zu den Alpen reichen, ist Folgendes zu befürchten: Windkraftanlagen speisen weiterhin ihren Strom ins Netz ein; sie haben Vorrang. Für den Restbedarf an Strom brummen die Kohlekraftwerke. Das Kraftwerk Irsching wird abgeschaltet, es geht pleite. Dann fehlt aber nachts bei Windstille der Gasstrom. Deshalb bekommt Irsching Geld, damit es in Bereitschaft bleibt, und die Stromkunden zahlen doppelt. Irsching wird dann über Netzentgelte bezahlt. Von Netzentgelten sind Großkunden befreit. Sie profitieren damit vom Netzausbau. Alle anderen bezahlen.

Fließt Strom von der Nordsee nach München, gibt es bei 700 Kilometern Weg 20 Prozent Übertragungsverluste. Auch das wird über Netzentgelte bezahlt.

Wer macht bei diesem Netzausbau Kasse? Finanzinvestoren. Sie erhalten 9 Prozent Rendite für jede Investition in Netze. Wo findet man so etwas heute noch, bei dieser garantierten Sicherheit?   Natürlich machen auch die Baufirmen und die Kohlekraftwerke Kasse. Und wer zahlt? Handwerkerinnen und Handwerker, kleine und mittlere Unternehmen, Verbraucherinnen und Verbraucher.

Deshalb lehnt die Linke diesen Netzentwicklungsplan ab.

Der Bedarf, der diesem Netzausbauplan zugrunde liegt, wurde wie folgt ermittelt: Die maximal erzeugbare Menge an Strom aus Windenergie wird mit der maximal möglichen Einspeisung von Strom aus Photovoltaik, der kompletten Menge an Strom aus Biomasse und der kompletten Menge an Strom aus konventioneller Erzeugung addiert, so dass auch die letzte Kilowattstunde abtransportiert werden könnte. Diese Rechnung dient nur dem maximalen Netzausbau.

In eine realistische Netzplanung müssen für die Linke folgende Punkte einfließen: Die künftige Stilllegung von Atom- und konventionellen Kraftwerken wird eingerechnet. Die Erzeugung von Strom aus Biomasse wird umgestellt, sodass sie nur erfolgt, wenn Wind und Sonne nicht genug Energie liefern. Stromsteuerungsmaßnahmen, wie beispielsweise die Verknüpfung von Fernwärme- mit Stromnetzen, müssen vorgenommen werden. Ein öffentlicher Hochspannungsnetzbetreiber ohne Interesse an Profit aus dem Leitungsbau ersetzt die jetzigen vier Profitgesellschaften.

Die Technologie, Strom über Gas zu speichern und zu transportieren, wird genutzt. Die Beteiligung großer Stromerzeuger an den Netzkosten ist umzusetzen. Die maximal mögliche Einspeisung von Strom aus Windenergieanlagen ist auf 80 Prozent der theoretisch möglichen Strommenge zu reduzieren. Dabei verliert man nur 0,4 Prozent der jährlichen Windenergiemenge, spart aber 20 Prozent Anschlussleistung. Bei Berücksichtigung dieser Punkte erhält man einen realistischen Bedarf für den Netzausbau. Aber der Gesetzentwurf, den Sie vorlegen, gefährdet die Energiewende, weil Kohlekraftwerke gefördert werden, umweltfreundlicher Gasstrom verliert und regionale, verbrauchsnahe Stromerzeugung vor Ort unterbleibt.

Die Bürgerinnen und Bürger haben sowohl in Meerbusch-Osterath als auch in Hessen und Thüringen mit ihrer Ablehnung der Ausbaupläne recht. Sie täten gut daran, die entsprechenden Initiativen ernst zu nehmen. Bürgerinitiativen erkannten als Erste die Gefahren der Asse. Bürgerinitiativen korrigierten über Volksbegehren Fehler, etwa bei Kitas in Thüringen oder bei der Wasserversorgung in Berlin.

Bürgerinnen und Bürger werden notwendige Netzausbauten nur dann akzeptieren, wenn der entsprechende Bedarf transparent und nachvollziehbar ermittelt wird und die Belastungen gerecht verteilt werden. Anderenfalls wehren sie sich. Ohne einen nachvollziehbaren Bedarfsplan wird die Linke Netzausbauten ablehnen, sei es der Konverter in Meerbusch-Osterath oder die 380-kV-Leitungen in Hessen, im Thüringer Wald oder in der Uckermark. Wir wollen die Energiewende   preiswert für die Menschen, mit Gewinnen für die Umwelt statt für Konzerne.

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