Rede im Bundestag: Netzausbau – die sichere Profitquelle

Ralph Lenkert

Hinter den Planungen für den Netzausbau stecken falsche Annahmen und Ziele. Es geht nicht wirklich um die Einbindung Erneuerbarer Energien, sondern um Kapitalrenditen und die Sicherung der Kohlestromerzeugung. Wo gibt es sonst einmalige 9% Zinsen ohne jegliches Risiko? Der Klimaschutz bleibt auf der Strecke und das Geld der Verbraucher wandert in andere Taschen.

Die Rede "Netzausbau - die sichere Profitquelle" im Volltext:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Pfeiffer, die Linke hat dem NABEG, dem EnLAG, dem Energiewirtschaftsgesetz und dem Netzausbaubedarfsplan nicht zugestimmt. Wir haben immer gesagt: Dieser Netzausbau ist überzogen. ‑ Das sagt jetzt auch die CSU. Ich gratuliere! Aber die Linke fordert als Alternative eine dezentrale Stromerzeugung. Dazu braucht es Windräder und Stromspeicher auch in Ihrem geliebten Bayern. Das ist logisch, und das müssen auch Sie von der CSU einsehen.

Schauen wir nun auf den Netzausbau; da liegt einiges im Argen. Erstens. Die Basisdaten für den Ausbau stammen von 2010. Wir erinnern uns: Damals wollten Sie noch längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. Grundlage waren auch die nicht abgestimmten Energiekonzepte der einzelnen Bundesländer. Damals gingen Sie vom massiven Neubau von Kohle- und Gaskraftwerken und von 25 Gigawatt Windkraft im Meer aus. Das alles sind inzwischen überholte Annahmen.

Zweitens. CDU, SPD, Grüne und bis vor vier Wochen die CSU betonten, der Netzausbau sei alternativlos. Wirklich? Das Gesetz besagt: Der erneuerbare Strom hat Vorrang; er geht zuerst ins Netz. - Im Norden und Osten gibt es viele Kohlekraftwerke. Weitere sind geplant oder im Bau. Diese Kraftwerke können Strom für etwa 3,5 Cent je Kilowattstunde anbieten. Das klingt günstig. Im Süden gibt es Strombedarf, und dort stehen umweltfreundliche Gaskraftwerke wie Irsching 5. Dort kostet der Strom circa 4,5 Cent je Kilowattstunde. Das klingt teuer.

Weil die Transportkapazität für Strom zwischen Nord und Süd begrenzt ist, kann oft nur Windstrom transportiert werden. Für Kohlestrom fehlt der Platz. Also werden die Kohlekraftwerke heruntergefahren, und das Gaskraftwerk Irsching liefert klimafreundlichen Strom, der in der Herstellung 1 Cent mehr kostet als der aus Kohle. Wenn dann die Stromtrassen von der Küste bis zu den Alpen stehen, ändert sich Folgendes: Windkraftanlagen liefern weiter Strom ins Netz, und für den Restbedarf an Strom brummen die klimafeindlichen Kohlekraftwerke. Das umweltfreundliche Irsching 5 wird abgeschaltet. Irsching 5 würde pleitegehen. Aber nachts ‑ ohne Solarstrom ‑ und bei großflächiger Windstille fehlt dann die Reserve. Deshalb wird Irsching 5 als Notreserve betriebsbereit gehalten. Die Kosten werden auf die Netzentgelte aufgeschlagen.

Fließt Strom von der Nordsee nach München, entstehen bei 800 Kilometer Weg 20 Prozent Übertragungsverluste. Dadurch wird das Netzentgelt höher. Auch die Baukosten der Netze werden natürlich über das Netzentgelt gedeckt. Großkunden brauchen keine Netzentgelte zu zahlen. Sie profitieren jedoch vom Netzausbau mit Strompreisen von unter 4 Cent je Kilowattstunde. Für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Handwerksbetriebe steigt dagegen das Netzentgelt um mehr als 1 Cent je Kilowattstunde, mehr als man durch den Kohlestrom spart. Eine solche Kostenumverteilung lehnt die Linke ab.

Wer profitiert eigentlich noch vom Netzausbau? Die großen, zentralen Energieerzeuger, die dadurch ‑ nur auf dem Papier ‑ billigen Strom liefern können und somit lokale Bürgerenergiegenossenschaften und Stadtwerke ausbremsen und ihr Monopol ausbauen. Auch die Bauindustrie verdient am Bau von Stromtrassen. Finanzinvestoren in Stromleitungen strahlen; denn denen bringt jeder Euro, der in den Netzausbau fließt, fette 9 Prozent Rendite. Wir fordern statt Traumrenditen umweltfreundlichen, bezahlbaren Strom für die Menschen.

Die Linke will erstens, dass in der Netzplanung die Stilllegung von konventionellen und Atomkraftwerken berücksichtigt wird,

zweitens, dass in die Planung die Potenziale einer regionalen Energiespeicherung zum Beispiel durch die Verknüpfung von Stromnetzen mit Wärmespeichern einfließen, drittens, dass die Übertragungsnetze vergesellschaftet werden, damit kein Profitinteresse mehr am Stromleitungsbau besteht und es einheitliche Netzentgelte geben wird, viertens, dass die großen Stromerzeuger an den Transportkosten des Stromes beteiligt werden, und fünftens, dass das Stromsystem so dezentral wie möglich und nur so zentral wie nötig gestaltet wird. Das will übrigens auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft, sonst nicht unbedingt unser Unterstützer.

Deshalb fordert die Linke eine Netzplanung, die aktuelle Daten zur Grundlage hat und realistisch die Bedarfe abdeckt, und vor allem will die Linke, dass die Kosten gerecht verteilt werden.

Stoppen Sie den Netzausbau, bis Sie Klarheit bei den Berechnungen haben. Das schützt vor Fehlinvestitionen, uns alle vor unnötiger Landschaftsverschandelung und verhindert den Akzeptanzverlust der Energiewende. In Meerbusch-Osterath, in Hessen, Niedersachsen, Thüringen und Bayern haben die Bürgerinnen und Bürger recht mit ihrer Ablehnung der Ausbaupläne für 380- und 500-kV-Leitungen, und Sie täten gut daran, diese Initiativen ernst zu nehmen.

Link: Die Rede in der Mediathek des Deutschen Bundestages ansehen