Ehrliche Indikatoren für Nachhaltigkeit sind Mangelware

Ralph Lenkert
Ralph LenkertRedenBundestagThemenNachhaltigkeit

Zusammenfassung: Die Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland wird von der Bundesregierung auch bei den Nachhaltigkeitsindikatoren geschönt. Eigentlich sollen diese Indikatoren Aussagen über den Zustand einer zukunftsfähigen Gesellschaft treffen, praktisch sind sie aber meist ungeeignet. Wahrheit ist offensichtlich nicht erwünscht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Nachhaltigkeit in Zeiten der Kapital-Krise und enthemmter Finanzmärke, das ist nicht mehr als die Quadratur des Kreises. Die Bundesregierung hat sich das Gleichgewicht von Mensch, Natur und Wirtschaft als Leitprinzip des politischen Handelns auf die Fahne geschrieben. Nachhaltigkeit soll - ich zitiere aus der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung – „die Erreichung von Generationengerechtigkeit, sozialem Zusammenhalt, Lebensqualität und Wahrnehmung internationaler Verantwortung zum Ziel haben.“

Leider lassen sich diese ehrenwerten Ziele nur schwer nachprüfen. Da kann auch der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung wenig tun. Denn seine Messinstrumente sind stumpf. Bestes Beispiel ist der Indikator Wirtschaftlicher Wohlstand. Das weltweite Finanz-Volumen ist in den letzten 25 Jahren um über 1000 Prozent auf 140 Billionen US-Dollar gestiegen. Ein verschwindend geringer Teil der Weltbevölkerung, Manager und Vermögensverwalter, bewegen so viel Kapital wie nie in der Geschichte. Und die Kassen klingeln. In den letzen 20 Jahren ist der weltweite Handel mit Finanzderivaten um sage und schreibe 3800 Prozent gewachsen - seit Beginn der Messung um jährlich ein Fünftel. Der Derivaten-Markt kommt heute auf über 610 Billionen Euro, also eine 61 mit – lassen Sie mich rechnen – 13 Nullen.

Das Problem: Die Geldwirtschaft hat die weltweite Realwirtschaft im Verhältnis 17 : 1  längst abgehängt. Spekulation, Wettgeschäfte und Manager-Gehälter gehen - auch hierzulande -  noch zu oft vor Arbeit, Vertrauen und Arbeitsplätze. Taucht diese absurde Realität im Indikatoren-Bericht auf? Fehlanzeige!
Das Bundeskanzleramt gibt die Nachhaltigkeits-Indikatoren vor.

Das Parlament muss damit zurechtkommen. Zur Messung wirtschaftlichen Wohlstandes dient allein das Bruttoinlandsprodukt. So zeigt der Indikatoren-Bericht 2010 denn auch - alle Jahre wieder - heiter Sonnenschein. Bei nachweislich steigender Armut von Kindern, Arbeitslosen, Niedriglohn-Jobbern und Rentnern wird ohne Scham vermeldet, das BIP pro Einwohner sei zwischen 1991 und 2009 preisbereinigt um 20 Prozent gestiegen! Was für ein Hohn! Fragen wir doch einmal die Menschen auf der Straße, was von den 20 Prozent in ihrem Geldbeutel angekommen ist! Wenn sich die Lebenswirklichkeit von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern mangels ehrlicher Indikatoren nicht im Fortschrittsbericht 2012 der Bundesregierung wiederspiegelt, dann frage ich mich: Was für ein Fortschritt messen wir eigentlich?!

In Deutschland klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Im Sinne des erklärten Nachhaltigkeits-Ziels, Sozialen-Zusammenhalt-Stärken, muss endlich ein Maß gefunden werden, das diese gefährliche - ganz und gar nicht nachhaltige Entwicklung -  wirklichkeitsgetreu abbildet.
Warum machen wir es nicht wie die Vereinten Nationen? In ihrem jährlichen Weltbericht zur menschlichen Entwicklung wird soziale Ungleichheit nach Einkommen und Geschlecht schon seit Jahren thematisiert. Die entsprechenden Indikatoren sind da, sie müssen nur angewendet werden!

Aber der Bundesregierung fehlt der Wille fürs genaue Hinschauen! Kein Wunder! Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet vor: Seit den 1990-iger Jahren gehen die niedrigsten Einkommen und höchsten Einkommen auseinander. Die Mittelschicht schrumpft. Von 2002 bis 2005 schrumpfte das Durchschnittseinkommen der Bürger um fast 5 Prozent. Bei den reichsten 10 Prozent aber stiegen die Einkünfte um 6 Punkte. Bei den Superreichen um 17 Prozent, die 650 reichsten Deutschen verbuchten 35 Prozent mehr, die 65 Reichsten sogar 53 Prozent mehr! Der Zusammenhang zwischen mehr Finanzwirtschaft, weniger Realwirtschaft und mehr sozialer Ungleichheit, die in Deutschland das höchste Niveau seit der Erhebung der Ungleichheits-Daten erreicht hat, liegt doch auf der Hand!   

DIE LINKE. sagt darum: Soziale Ungleichheit darf kein Tabu mehr sein! Oder wollen sie Londoner Verhältnisse? Wir fordern darum einen Ungleichheits-Indikator. Die Finanzwirtschaft hat bereits einmal die Realwirtschaft an die Wand gefahren und die Gefahr besteht erneut. Nachhaltigkeit darf nicht zur hohlen Propaganda-Parole verkommen! Sie von der schwarz-gelben Regierung erinnern uns von DIE LINKE. doch immer mal gerne an die DDR. Ich sage Ihnen: Lernen Sie von diesen Erfahrungen. Auch die DDR vermeldete nachhaltige Planerfüllung - bis zuletzt. Das Ende ist ja hinlänglich bekannt!

Also lassen Sie uns gemeinsam ehrliche Nachhaltigkeitskriterien finden und nutzen. DIE LINKE wird mit Ihnen allen Lösungen suchen.