Medikamentenabfälle gehören nicht ins Abwasser

Ralph Lenkert
RedenBundestag

Sehr geehrter Herr Präsident, geehrte Kolleginnen und Kollegen,

in der ersten Beratung zu unserem Antrag am 17. Januar bestand die einzige Übereinstimmung darin, dass Wasser unser wichtigstes Lebensmittel darstellt. Klasse - aber außer Reden nichts gewesen. Im Gegenteil – aus dem Lager der Regierungskoalition erfolgen Angriffe auf unsere Wasserqualität, sei es aktuell durch die Wasserprivatisierung mittels EU-Konzessionsrichtlinie, die unsere Wasserqualität auf Londoner Niveau und Londoner Wasserpreise mit trübem, gechlortem und nicht-trinkbarem Leitungswasser abfallen lassen wird, oder mit der Umsetzung der EU-Biozidverordnung, wo Sachverstand im Internet erworben und abgeprüft wird - ohne Grund. Wie Wasserschutz bei einer Prüfung nach copy and paste sichergestellt wird, bleibt schleierhaft. Zusätzliche Schadstoffe im Wasser sind da hingegen sicher.

Beide Beispiele führen zu zusätzlichen Belastungen von Grund- und Oberflächengewässern mit anthropogenen, also menschenverursachten Spurenstoffen im Wasser.
Auch der Fakt, dass bei der Novelle der Verpackungsverordnung die verpflichtende Annahme von Alt-Medikamenten in Apotheken aufgehoben wurde, verursacht durch die jetzt vermehrte „Entsorgung über Abwasser“ zusätzliche, unnötige Belastungen unserer Gewässer.
Dass unsere Gewässer Hilfe brauchen, ist unbestritten, aber wo setzt man an? Bei den Verursachern, an den Quellen, oder am Ende, bei der Kläranlage?
Die Vorschläge meiner Fraktion zeigen Wege, wie an den Quellen die Menge an Arzneirückständen in Gewässern verringert werden kann und wie Sie ihren schönen Worten endlich gute Taten beistellen können.

Im Bundestag fordern wir gesetzliche Vorgaben für Pharmahersteller, damit unnötige Nebenwirkungen der notwendigen Medikamente für die Umwelt zukünftig beseitigt werden.
Wir fordern Forschungen zu Wegen und Verbleib und Wirkungen der Arzneimittelrückstände.
Wir fordern, dass die Pharmaunternehmen verpflichtet werden, ein einheitliches Apotheken-Rücknahmesystem für Altmedikamente einzurichten und zu finanzieren.
Außerdem soll auf jeder Medikamentenpackung und auf den Beipackzetteln der Entsorgungsweg erkennbar sein.

In Landtagen brachte DIE LINKE die Forderung ein, dass die Hotspots für Medikamenteneinträge, wie z.B. Krankenhäuser und Pflegeheime, extra Klärwege zur Reduzierung von Arzneimittellresten nutzen sollen, statt sie einfach in kommunale Klärwerke einzuleiten.

Trotz ihrer in 1. Lesung geäußerten Zweifel an unseren Vorschlägen danke ich den Kolleginnen und Kollegen, dass wir gemeinsam im Umweltausschuss ein Fachgespräch zum Thema Arzneimittelbelastungen im Abwasser durchführten.
Die Auswertung eines EU -Großversuches zu Arzneirückständen, mit durchgeführt vom Emscher-Lippe-Genossenschaftsverband, dem größten Abwasserentsorger der Bundesrepublik, bestätigte unseren Ansatz, an der Quelle zu handeln.
Zweiundsiebzig Substanzen aus Arzneien im Versuch wurden getestet – 57 % der Gesamtbelastungen kamen aus Krankenhäusern. Mit einer gezielten Reinigung der Krankenhausabwässer, wie in den Landtagen von uns gefordert, wäre viel erreicht, leider lehnten CDU, FDP und SPD dies bisher ab – warum eigentlich?
Emscher- Lippe wie auch die Abwasserentsorger im Ausland testeten verschiedene Abwasserreinigungsverfahren. Das Ergebnis ist ernüchternd. Keines der Verfahren konnte alle 72 Substanzen beseitigen und beim Ozonieren, einem der Verfahren, entstanden neue Substanzen, deren Wirkungen auf die Umwelt unbekannt sind.
Dreißig Prozent mehr Energieverbrauch in den Kläranlagen, Filterreste, Betriebskostensteigerung von mehr als 20%. All dies waren Nebenwirkungen der zusätzlichen Reinigungsstufen.       
Dreißig Prozent mehr Stromverbrauch würde bei einer Ausstattung aller 10.000 Kläranlagen Deutschlands mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe einen Mehrbedarf von 0,7 Mrd. kWh im Jahr bedeuten, das ist der jährliche Stromverbrauch von über 150.000 Haushalten.
Aber ein Verfahren reicht nicht für alle Substanzen – für alle Verfahren bräuchte man noch mehr Energie und die Kosten für Abwasser würden explodieren.
So lautet das Fazit des Vortrages und jetzt zitiere ich noch, was der Genossenschaftsverband Emscher – Lippe vorschlug, damit Medikamentenrückstände in Gewässern optimal minimiert werden können:

  • Einführung einer Gewässerampel für bestehende Medikamente und gegebenenfalls eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Medikamente.
  • Ausbau und Optimierung der Rücknahmesysteme für Medikamente
  • Entwicklung von abbaubaren Medikamenten
  • Anpassung der Dosierung an den Bedarf des menschlichen Körpers
  • Veränderung der Verschreibungspraktiken und der Beratung in Apotheken
  • Informationen zum Umgang mit Arzneimitteln
  • Minimierung der Einträge an der Quelle, sprich an den Krankenhäusern

All diese Vorschläge sind in unserem Konzept enthalten.
Eine 4. Reinigungsstufe zu fordern, ist einfach und erfordert keinen Mut, aber Bürgerinnen und Bürger müssen dafür hart zahlen und der stark erhöhte Energieverbrauch konterkariert Energieeffizienzziele, deren Umsetzung wir für den Klimaschutz brauchen.
Die 4. Reinigungsstufe – als Allheilmittel steigert jedoch die Umsätze in der Bauwirtschaft für neue Kläranlagen und die Pharmalobby braucht sich trotz fetter Gewinne nicht um Umweltschutz scheren.

Geht man den von Emscher-Lippe und uns vorgeschlagenen Weg, sind gleiche Ergebnisse für die Umwelt, günstig für Bürgerinnen und Bürger, bei geringen Belastungen der Verursacher, der Pharmaindustrie und keinen Zusatzumsätzen der Baubranche erreichbar – aber man muss sich mit der Bau- und Pharmalobby auseinandersetzen. DIE LINKE hat diesen Mut. Sie auch?
Stimmen Sie unserem Antrag und damit dem Umweltschutz zu und folgen Sie in den Bundesländern unseren Vorschlägen zu Krankenhausabwässern.

Falls Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, das aus ideologischen Gründen unmöglich ist – copy and paste ist erlaubt – Die LINKE wird das Plagiat gern akzeptieren.
Seien Sie mutig, umwelt- und bürgerfreundlich und lassen Sie ihren blumigen Worten zum Schutz des Lebensmittels Wasser vernünftige Taten folgen.