Diesel-Stickoxide - Schönreden löst keine Probleme

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Rede anschauen:
https://www.youtube.com/watch?v=u6p8ULnMwu8

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich glaubte, jedes Argument zu Stickoxiden und zum Dieselskandal sei ausgetauscht. Ich habe mich geirrt.

(Ulli Nissen (SPD): Ja! - Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das stimmt!)

AfD und FDP haben dank Coronakrise etwas Neues entdeckt: Dieselfahrverbote sind sinnlos; denn bei 40 Prozent weniger Verkehr 2020 sank in Stuttgart die NOx-Belastung eben nicht - obwohl weniger Verkehr war. Die Diesel stehen nach Ihrer Meinung umsonst am Pranger, und Herr Scheuer bläst in das gleiche Horn.

Leider vergaß die AfD, das Wetter zu berücksichtigen.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Und das Ministerium hat das anscheinend nicht gemerkt; das ist schon blamabel.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt fordert die AfD wissenschaftliche Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen Stickoxidausstoß und Schadstoffbelastung der Luft. Da frage ich mich, wie Sie Ihre Unterlagen lesen. Im Mai gab es die Leibniz-Wochen. Da hat das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig eine Studie mit Berechnungsprogramm, über Jahre erstellt, vorgestellt und gezeigt, welche Auswirkungen in Prozent die einzelnen Bereiche auf die Schadstoffbelastung der Luft haben und wie die Hintergrundbelastung entsteht. Sie hätten sich die Kollegen des Leibniz-Instituts einladen können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das haben sie scheinbar nicht gemacht; denn mit der Wissenschaft haben sie es ja doch nicht so am Hut.

Für die Zuschauerinnen und Zuschauer: In Stuttgart herrschten 2019 normale Wetterbedingungen. 2020 herrschte Inversionswetterlage, und es war kälter. Damit ist es logisch, dass die Belastung mit Stickoxiden aus anderen Bereichen höher war. Hätte aber der Verkehr nicht abgenommen, hätten wir im März 2020 deutlich höhere Stickoxidwerte gehabt - mit Schäden für unsere Gesundheit.

Im Übrigen: Die Messwerte aus Hessen und die Messwerte aus Hamburg, die diese Absenkung während der Coronaeinschränkungen zeigen, blenden Sie mal schnell aus, weil sie Ihnen nicht in den Kram passen. Das ist einfach peinlich.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Liebe Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer, dass Sie unter Fahrverboten leiden, haben die betrügerischen Autobosse verursacht, die ihnen schlechte Pkws untergejubelt haben. Das ist die Ursache.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Florian Toncar (FDP): Oh mein Gott!)

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Herr Lenkert, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Bernhard?

Ralph Lenkert (DIE LINKE):

Wenn es denn unbedingt sein muss.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Sie sollen es entscheiden.

Ralph Lenkert (DIE LINKE):

Ja.

(Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ralph!)

Marc Bernhard (AfD):

Danke, Herr Lenkert, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. - Aber ich habe noch eine Frage. Wir reden ja nicht über Momentaufnahmen von Wetterlagen. Wir haben die Situation, dass der Shutdown über sechs Wochen angedauert hat. Sie wollen doch jetzt nicht ernsthaft erzählen, dass das Wetter sechs Wochen lang dafür gesorgt hat, dass trotz bis zu 70 Prozent weniger Verkehr überhaupt keine Veränderung der Stickstoffdioxidwerte stattgefunden hat.

Im Übrigen möchte ich noch darauf hinweisen: Sie haben gerade eben noch dankenswerterweise gesagt, in Hessen seien die Werte gesunken. Wenn ich mir die Datei genau anschaue: In Offenbach am Main sind im Vergleichszeitraum die Werte für Stickstoffdioxid um 17 Prozent gestiegen. Was sagen Sie dazu? Also scheinen die Werte in Hessen doch nicht so gut zu sein.

Ralph Lenkert (DIE LINKE):

Ja, Herr Kollege, zu Hessen gehören auch Kassel

(Timon Gremmels (SPD): Bravo!)

und Nordhessen. Das kann man durchaus berücksichtigen.

Ich komme noch mal auf das Programm zu sprechen, das vom Troposphäreninstitut nördlich von Leipzig seit Jahren getestet wird. Es gibt mehrere Messstationen im Ort und außerhalb des Ortes, die rund um die Uhr die Schadstoffe messen und natürlich auch die Wetterdaten festhalten. Sie erfassen also genau das, was Sie wissenschaftlich untersuchen lassen wollen, nämlich: Welchen Einfluss hat das Wetter? Welchen Einfluss hat Sahara-Staub? Welchen Einfluss hat eine Inversionswetterlage? Welchen Einfluss hat Nieselregen?

2019 gab es Vergleichszeitraum mehr Niederschläge als 2020. Eine Wetterlage kann auch über sechs oder acht Wochen stabil sein - ich weiß nicht, ob Sie den Sommer 2018 mitbekommen haben -; das heißt, sie kann auch über längere Zeiträume stabil sein. In Stuttgart - das hat Ihnen der Kollege gerade aufgezeigt - gab es unterschiedliche Werte. Auch das blenden Sie aus. Wenn Sie eine Forderung nach Wissenschaft stellen und vorher vorhandene Wissenschaft ausblenden, dann geht es Ihnen nicht um Wissenschaft, dann geht es Ihnen einfach nur darum, zu skandalisieren und nichts zu machen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich komme zu den Dieselfahrerinnen und Dieselfahrern zurück, die unter dem Betrug der Autokonzerne leiden. Ja, sie haben einen Wertverlust erlitten. Ja, sie leiden unter Fahrverboten. Das ist bitter, und dafür muss jemand zahlen. Und da fordert Die Linke, dass die Verursacher zur Kasse gebeten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bosse der Autokonzerne haben zu zahlen für den Wertverlust ihrer Pkws. Sie haben zu zahlen für die Zusatzkosten an Tankstellen, weil ihre Pkws mehr verbrauchen als angegeben; auch das ist Betrug. Und sie haben zu zahlen an die Kommunen, damit diese eben ohne Fahrverbote die Grenzwerte einhalten können,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

nämlich durch eine Modernisierung des öffentlichen Personennahverkehrs, durch kostenlose Tickets für Bus und Bahn, wenn die Grenzwerte überschritten werden. Das muss zulasten der betrügerischen Konzerne gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Belästigen Sie uns also nicht mit solchen Schwachsinnsanträgen, die uns die Zeit für die wirklich wichtigen Sachen, die wir besprechen sollten, rauben. Ich muss Ihren Antrag ablehnen. Ich hätte hier an diesem Pult lieber darüber gesprochen, wie wir den Infektionsschutz verbessern, damit unsere Schulen und Kindergärten trotz Corona wieder öffnen können, wie wir ein Konjunkturpaket erstellen, -

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Das führen Sie jetzt nicht mehr aus. Sie sind schon über der Zeit.

Ralph Lenkert (DIE LINKE):

- das dem Klima dient.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)