20 Jahre Deutsche Einheit
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
der 20. Jahrestag der deutschen Einheit ist auch für mich ein Zeitpunkt, über die letzten Jahre nachzudenken. Mit vielen Hoffnungen starteten wir ehemaligen DDR-Bürger in die Einheit – auf ein Ende der Kriegsgefahr, Reisefreiheit, demokratische Mitbestimmung, ein Ende der Mangelwirtschaft. Wir hofften, dies zu unseren angestammten Alltäglichkeiten wie soziale Sicherheit, Bildung für alle und menschliches Miteinander hinzu zu bekommen.
Zwanzig Jahre später ist die Umsetzung unserer Hoffnungen differenziert zu betrachten. Die Kriegsgefahr auf deutschem Boden ist gebannt, aber deutsche Soldaten stehen im Kriegseinsatz. Reisefreiheit haben wir – für die, die es sich leisten können. Freie Wahlen gibt es – demokratische Mitbestimmung (z. B. Volksbegehren) zwischen den Wahlen ist schwer und im Bund unmöglich. Es gibt unendlich viele Waren, die man nicht zwingend braucht - was man jedoch zum Leben benötigt, ist teuer, für manche zu teuer. Verloren haben wir unsere soziale Sicherheit, Bildungschancen hängen zum Großteil am Geldbeutel der Eltern und Individualismus und Egoismus bestimmen weite Teilen der Gesellschaft.
Am 3. Oktober finden landesweit Vereinigungsfeiern statt. Differenzierungen werden wohl fehlen. Rentnern, Arbeitslosen, Hartz IV-Empfängern und Kranken wird das Jubeln schwerfallen, weil ihre Aussichten nicht rosig sind.
Für die nächsten 20 Jahre wünsche ich uns: Teilhabe für alle Menschen an der Gesellschaft, also Mindestlohn, ausreichendes Einkommen für jeden. Jedes Kind soll beste Bildungschancen haben, ohne Einfluss des Geldbeutels. Ich wünsche, dass keine deutschen Soldaten in Kriegen kämpfen.
Es wäre gut für die innere Einheit, wenn Kitas als Errungenschaft des Ostens in der ganzen Bundesrepublik existieren, wenn aus Ärztehäusern Polikliniken werden und ein staatliches SERO-Unternehmen Recycling bundesweit befördert. Erst wenn jeder Bundesbürger wenigstens eine positive Auswirkung der Einheit für sich persönlich benennen kann, ist die Einheit vollendet.
Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass es bundesweite Volksentscheide geben muss.